Kader steht, Streit bleibt: Bundestrainer Gislason vor Debüt

Seit Monaten wartet der neue Handball-Bundestrainer Alfred Gislason auf sein Debüt. Jetzt steht der Kader für die EM-Qualifikationsspiele in der nächsten Woche. Der Isländer vertraut vielen Routiniers und ist voller Vorfreude. Aber es bleiben Unsicherheiten.

Bei seinem langersehnten Debüt setzt der neue Handball-Bundestrainer Alfred Gislason in turbulenten Zeiten auf altbewährte Kräfte.

Ungeachtet der Debatte um die Abstellung von Nationalspielern nominierte der Isländer den bestmöglichen Kader für die EM-Qualifikationsspiele gegen Bosnien-Herzegowina und in Estland. Mit den Rückkehrern Christian Dissinger und Finn Lemke sowie insgesamt 21 Akteuren um Kapitän Uwe Gensheimer fiebert der 61-Jährige seinem ersten Länderspiel entgegen. Kurioserweise weiß der Coach aber noch nicht, ob ihm alle Spieler am 5. November in Düsseldorf gegen die Bosnier tatsächlich zur Verfügung stehen.

«Ich hoffe und gehe davon aus, dass ich alle zur Verfügung habe, die ich da nominiert habe. Es war nicht das Ziel, einen 21er-Kader zu benennen, wenn der ein oder andere aus Corona-Gründen nicht dabei sein kann», sagte der Nachfolger des Anfang des Jahres beurlaubten Christian Prokop. «Ich bin Berufsoptimist und überzeugt davon, dass ich alle an Bord habe, die dann gesund sind.» Trotzdem bleiben Restzweifel, weil Bundesliga-Clubs und Deutscher Handballbund (DHB) seit Tagen um die Abstellung von Nationalspielern streiten. Die Vereine wollen mit aller Macht vermeiden, dass ihre Profis nach der Rückkehr von den Nationalteams in Quarantäne müssen.

Am Montagnachmittag sollte dazu erneut ein Gespräch zwischen der DHB-Spitze und der Bundesligaführung (HBL) stattfinden. «Das beschäftigt uns seit über einer Woche, dass wir versuchen, Lösungen zu finden», sagte DHB-Vorstandschef Mark Schober. Dabei dürfte sich zumindest für die deutschen Nationalspieler das Risiko in Grenzen halten. Unmittelbar vor der Anreise zum Lehrgang am nächsten Montag in Düsseldorf muss jeder Spieler einen negativen Test vorweisen. Direkt nach der Ankunft werden Torhüter Silvio Heinevetter und Co. erneut getestet – per Schnelltest und per PCR-Test. Gleiches gilt für die Nationalspieler von Bosnien-Herzegowina.

Zudem ist Estlands Hauptstadt Tallinn, wo am 8. November das zweite Länderspiel unter Gislason stattfindet, bislang nicht als Risikogebiet eingestuft. «Wir haben Verständnis, dass die Clubs und die Bundesliga Sorgen haben», sagte Schober. «Wir müssen alles dafür tun, mit den anderen Nationalverbänden zusammen, dass entsprechende Hygienekonzepte und Testungen umgesetzt werden.» Zudem beschäftige sich der DHB damit, dass es nach einer Rückreise von Nationalspielern nicht zur der von den Clubs gefürchteten Quarantäne kommt. Am Mittwoch will die HBL bei einer Konferenz darüber entscheiden, ob oder unter welchen Bedingungen Spieler abgestellt werden.

Die Vorfreude der deutschen Nationalspieler wird durch die von vielen Unwägbarkeiten geprägte Lage nicht getrübt. «Alle Spieler haben schon ein bisschen gelernt, mit der aktuellen Situation umzugehen», sagte Gislason. «Ich merke bei allen eine große Vorfreude auf die Nationalmannschaft.» Nicht weniger groß ist die Euphorie bei ihm selbst. Seit der Absage des Länderspiels gegen die Niederlande im März wartet der Isländer nun schon seit Monaten auf sein Debüt. Er habe in letzter Zeit wenig anderes zu tun gehabt, als Bundesligaspiele zu schauen, meinte er. Und dabei ist ihm auch der 20 Jahre junge Juri Knorr aufgefallen.

Nach starken Leistungen für GWD Minden soll der Spielmacher langfristig im Nationalteam die chronischen Probleme auf der Rückraum-Mitte-Position lösen. Auch der 22-jährige Sebastian Heymann (Frisch Auf Göppingen) ist ein Mann für die Zukunft. Ansonsten baut Gislason auf eine altbewährte Achse. Im Innenblock vertraut er den beiden Abwehrchefs Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek von seinem Ex-Club THW Kiel. Die MT Melsungen stellt sogar fünf Nationalspieler und damit so viele wie kein anderer Club. Unter anderem ist auch der Melsunger Abwehrhüne Lemke wieder dabei, der 2016 ebenso wie Dissinger (Vardar Skopje) den EM-Titel gewonnen hat.

Paul Drux und Fabian Wiede von den Füchsen Berlin stehen dagegen ebenso wie Patrick Groetzki (Rhein-Neckar Löwen) zunächst nur im erweiterten Kader. Große Probleme sollten Bosnien-Herzegowina und Estland dem DHB-Team aber ohnehin nicht bereiten – zumal sich die besten zwei Teams der Vierergruppen sowie die vier besten Dritten aller acht Gruppen direkt für die EM 2022 in Ungarn und der Slowakei qualifizieren.

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