SPD geht mit Forderungen in Koalitionsausschuss

Über Monate haben – coronabedingt – Kanzlerin und Ministerpräsidenten in Berlin den Kurs vorgegeben. Nun trifft sich erstmals wieder der Koalitionsausschuss. Die SPD prescht mit Forderungen vor. Ist das schon Wahlkampf?

Mit der SPD-Forderung nach einer deutlichen finanziellen Entlastung für Geringverdiener und Familien in der Corona-Krise hat im Berliner Kanzleramt der erste Koalitionsausschuss im Superwahljahr 2021 begonnen.

Es gehe um die Menschen, «die mit besonders schmalem Budget in diesen Zeiten auskommen müssen», sagten die Parteichefs Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans am Mittwoch unmittelbar vor dem Treffen der Spitzen von Union und SPD mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU). An diesem nahm erstmals auch der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet teil.

«Der Koalitionspartner sollte an dieser Stelle nicht nur auf diejenigen gucken, die hohe Einkommen haben, sondern auch auf die, die wirklich jetzt in dieser Zeit belastet sind», betonte Walter-Borjans. Es gehe nicht nur um Grundsicherungsempfänger, sondern auch um Familien mit kleinen und durchschnittlichen Einkommen. Esken forderte CDU und CSU auf, einen Blick auf das C im Parteinamen zu werfen – «und dann hoffen wir, dass die Situation von Familien mit besonders kleinem Einkommen auch eine Rolle spielt».

Auf dem Tisch liegen Forderungen etwa nach einem weiteren Kinderbonus ähnlich wie im vergangenen Jahr und nach einer Corona-Soforthilfe von 200 Euro für Geringverdiener und Langzeitarbeitslose. Die Union will unter anderem steuerliche Erleichterungen für belastete Unternehmen erreichen. So sollen Unternehmen mit coronabedingten Verlusten 2020/2021 diese mit Gewinnen von 2019 und früher verrechnen können.

Unmittelbar vor der Sitzung des Koalitionsausschusses verteidigte die SPD ihren zuletzt kritischen Kurs gegenüber dem Regierungspartner CDU/CSU. Vizekanzler Olaf Scholz wies den Verdacht zurück, mit Kritik am Impfmanagement sowie mit den sozialpolitischen Forderungen schon Wahlkampf zu betreiben. «Etwas Vernünftiges für die Bürgerinnen und Bürger fordern, ist nicht Wahlkampfmusik», sagte der Finanzminister und SPD-Kanzlerkandidat am Mittwoch im ARD-«Morgenmagazin». Dinge, die wichtig seien, müssten auch hart besprochen werden.

Bei dem vor allem auf Initiative der SPD angesetzten Treffen sollte neben der sozialen und wirtschaftlichen Abfederung der Folgen der Corona-Pandemie auch über die Anschaffung der Euro-Drohne für die Bundeswehr gesprochen werden. Walter-Borjans betonte auf dem Weg ins Kanzleramt, dass die Entwicklung und Beschaffung nicht an der SPD scheitern werde. «Es wird scheitern, wenn es um die Frage geht, jetzt festzulegen, dass diese Drohnen bewaffnet werden sollen.»

Die FDP forderte die Koalition auf, bei den Hilfen für Unternehmen nachzulegen. «Die Corona-Hilfen für Unternehmen sind weiterhin zu gering, zu bürokratisch und zu langsam», sagte Fraktionsvize Michael Theurer der Deutschen Presse-Agentur. «Hier muss es zumindest eine massive Ausweitung des steuerlichen Verlustrücktrags geben, damit die Finanzämter den Unternehmen unkompliziert helfen können.» Besser noch wäre es nach Ansicht der FDP, die Hilfen am Betriebsergebnis zu orientieren. «Ich erwarte von der Union, dass sie sich beim Verlustrücktrag heute gegen ihren Junior-Koalitionspartner SPD durchsetzt», sagte FDP-Fraktionsvize Christian Dürr der dpa.

Die Linke forderte die Koalitionsspitzen auf, darüber zu reden, wie die Pandemie sozial gerecht bewältigt werden könne. «Es kann doch nicht sein, dass die soziale Schere immer größer wird und einkommensarme Haushalte durch die Krise noch weiter abgehängt werden», sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Jan Korte. «Der nächste Corona-Gipfel muss ein Sozialgipfel sein.»

Walter-Borjans brachte ein Aussetzen der Schuldenbremse im Grundgesetz auch für den Haushalt 2022 ins Spiel. «Es darf nach Corona keine Vollbremsung geben, die wahlweise zu Sozialabbau oder Verzicht auf dringend gebotene Zukunftsinvestitionen oder sogar zu beidem führen würde», sagte er dem «Tagesspiegel» (Donnerstag). «Dann würde aus der Krise von ein, zwei Jahren die Krise einer ganzen Generation.» Daher seien die richtigen finanziellen Voraussetzungen wichtig: «So, wie es zurzeit aussieht, rechtfertigt das auch 2022 eine Ausnahme von der Schuldenbremse.»

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