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Uta Ranke-Heinemann ist tot

Das Christentum habe eine Henkertheologie an die Stelle des Wortes Jesu gesetzt – mit solchen Thesen brachte Uta Ranke-Heinemann die katholische Kirche gegen sich auf. Nun ist die Theologin mit 93 gestorben.

Uta Ranke-Heinemann war oft die erste: Erste weibliche Schülerin etwa am zuvor rein männlich dominierten Burggymnasium in ihrer Heimatstadt Essen. Später, Anfang 1970, wird sie zur vermutlich ersten Professorin in katholischer Theologie weltweit ernannt.

Am Donnerstag ist die älteste Tochter des früheren Bundespräsidenten Gustav Heinemann in ihrem Wohnhaus in Essen im Beisein von Familienmitgliedern gestorben. Sie sei friedlich und würdevoll eingeschlafen, sagte ihr Sohn Andreas Ranke der Deutschen Presse-Agentur. Uta Ranke-Heinemann wurde 93 Jahre alt.

Einer größeren Öffentlichkeit wird die Theologin in den 1980er Jahren bekannt, als sie den Glaubenssatz von der Jungfräulichkeit Marias vor, unter und nach der Geburt Jesu anzweifelt. Sie wollte die Jungfräulichkeit Marias nicht wörtlich, sondern als «damalige Vorstellungsmodelle» verstanden wissen. Von «gynäkologischer Klapperstorchtheologie» spricht sie später. Der damalige Essener Bischof Franz Hengsbach entzieht ihr 1987 die kirchliche Lehrbefugnis, sie verliert ihren theologischen Lehrstuhl. Die Uni Essen richtet für sie einen neuen ein – für Religionsgeschichte.

Von Haus aus evangelisch, hatte sie in jungen Jahren 13 Semester evangelische Theologie studiert. Erst 1953 wird sie katholisch, «auf der Suche nach der großen Toleranz», wie sie später schrieb. «Ich kam allerdings vom Regen in die Traufe», kommentierte sie ihren Konfessionswechsel rückblickend. 1954 promoviert sie in München in Katholischer Theologie, nachdem sie dort zeitweise mit Joseph Ratzinger, dem späteren Papst Benedikt XVI., zusammen studiert hatte. Auch beim Doktortitel war sie zusammen mit der späteren feministischen Theologin Elisabeth Gössmann die erste Frau in Deutschland.

Ab 1980 lehrt Ranke-Heinemann in Duisburg, ab 1985 in Essen die
Fächer Neues Testament und Alte Kirchengeschichte. «Sie war nie eine reine Schreibtischtheologin, sondern hat sich immer auch
politisch-kritisch geäußert», stellte Marie-Theres Wacker, emeritierte Theologieprofessorin an der Universität Münster, vor gut einem Jahr anlässlich des 50. Jahrestages der Ernennung Ranke-Heinemanns zur Professorin fest.

1988 erscheint ihr kirchenkritisches Hauptwerk «Eunuchen für das Himmelreich» über die Sexualmoral der katholischen Kirche. «Sie hat darin den Finger auf das Problem der Sexualfeindlichkeit der Kirche gelegt und damit in eine Wunde, deren Größe sie damals noch gar nicht ahnen konnte», sagte Wacker. Das Buch wurde in zwölf Sprachen übersetzt und führte zahlreiche Bestsellerlisten an. Der großen Öffentlichkeit bekannt wurde Ranke-Heinemann auch durch viele Talkshows, wo sie häufig in einem mintgrünen Lederkostüm als kämpferische und wortgewandte Kirchenkritikerin auftrat.

Während des Vietnamkrieges setzt sich Ranke-Heinemann für ein Verbot der Napalmbombe ein und reist in den kommunistischen Norden. 1979 bringt sie Lebensmittel in das hungernde Kambodscha. 1999 bewirbt sie sich um das höchste Staatsamt in Deutschland – als partei- und aussichtslose Bundespräsidentschafts-Kandidatin für die PDS, die spätere Linke. Die Wahl gewinnt Johannes Rau (1931-2006), der mit einer Nichte von Ranke-Heinemann verheiratet ist.

«Von allen meinen Kindern hat Uta mein Rebellenblut am meisten
geerbt», zitierte sie einmal ihren Vater Gustav Heinemann. Die
Kontroverse der Wissenschaftlerin mit der konservativen Amtskirche war denn auch vorprogrammiert. Entzündet hatte sie sich bereits Ende der 1960er Jahre an der Frage des päpstlichen Verbots der Empfängnisverhütung.

Zeitlebens trat sie nicht aus der Amtskirche aus, entfremdete sich ihr aber immer mehr. «Das Christentum hat an die Stelle des Wortes Jesu eine Henkertheologie gesetzt und verherrlicht einen Galgen», schrieb sie 2002 in ihrem Buch «Nein und Amen» unter der Überschrift: «Mein Abschied vom traditionellen Christentum». In einem «negativen Glaubensbekenntnis» heißt es: «Jesus ist Mensch und nicht Gott. Maria ist Jesu Mutter und nicht Gottesmutter.» Ihren Glauben verliert sie nicht: «Gott hat Himmel und Erde geschaffen, die Hölle haben die Menschen hinzuerfunden.» Und: «Das Einzige, das Positive, was mir vom Christentum geblieben ist, ist die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit den geliebten Toten.»

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