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Titelthema im September 2011 in der Balaton Zeitung
Ärzteflucht ins Ausland
Katastrophale Bezahlung und schlechte Arbeitsbedingungen in Ungarn
Aussagen des ungarischen Ärzteverbandes MOSZ zufolge könnten im nächsten Jahr mehr als 6000 Fachärzte und frisch approbierte Ärzte das Land verlassen. Das kündigten Ärzte angesichts katastrophaler Bezahlung, schlechter Arbeitsbedingungen und wenig Anerkennung ihres Berufes an. Sie fordern vom Staat die Ausarbeitung eines Karrieremodells für Ärzte, das sie im Lande halten kann.
Dem Vorsitzenden von MOSZ, János Bélteczki, zufolge nahmen zehntausend Ärzte an einer Umfrage des Verbandes teil. In Auswertung der Fragebögen stellte sich heraus, dass 3500 frisch approbierte Ärzte das Land verlassen wollen, auch mehr als 2700 erfahrene Fachärzte denken ernsthaft über eine Auswanderung nach.
Bélteczki betonte, dass es das Ziel des Verbandes sei, die gut ausgebildeten Ärzte im Land zu halten. Auch die Ärzte wollen in ihrer Heimat eine Existenz aufbauen, leiden aber unter unerträglicher Existenzunsicherheit. „Die Grenzen des Ertragbaren sind erreicht. Ich fordere alle politisch-wirtschaftlichen Verantwortlichen auf, die Situation nicht durch Bemerkungen und unsinnige Vorschläge weiter zuzuspitzen“, so der Vorsitzende, der befürchtet, dass die Ärzte sonst sofort ihre Pläne in die Tat umsetzen könnten.
Bélteczki erinnerte an eine Pressekonferenz im Frühjahr, auf der der Präsident der europäischen Gewerkschaft für Gesundheitswesen und Sozialfürsorge FEMS, Claude Wetzel, ausführte, dass in Europa die ungarischen Ärzte an schlechtesten verdienen und am meisten arbeiten. Das Gehalt eines Facharztes liege nach mehr als zehnjähriger Ausbildung unter dem ungarischen Durchschnittslohn. Andererseits seien die Ärzte aus Ungarn gern gesehenes Fachpersonal auf dem europäischen Markt. „So verwundert es nicht, dass immer mehr Ärzte ins Ausland gehen“, fasste er zusammen. Den Ärzten folgt nun auch anderes medizinisches Personal, sogar Mitarbeiter des ungarischen Rettungsdienstes denken wegen schlechter Bezahlung über einen Wechsel ins Ausland nach.
Die Angestellten im Gesundheitswesen sind sich der wirtschaftlichen Situation bewusst, doch sie warten nun bereits seit Jahrzehnten auf die bereits mehrfach angekündigte Gesundheitsreform. Das BIP Ungarns ist in den letzten zehn Jahren um 15 Prozent gestiegen und statt Reformen seien die Ausgaben für das Gesundheitswesen um 18 Prozent gesunken.
Dabei ist sich die Politik noch nicht einmal einig: wenn einer einen Schritt in Richtung Reformen tut, macht der nächste diesen Schritt wieder rückgängig. Leidtragende sind immer die hart arbeitenden Angestellten des Gesundheitswesens.
Selbst bei einer Verdoppelung der jetzigen Bezüge der Mitarbeiter – was den Berechnungen von MOSZ zufolge dem Staat 200 Milliarden Ft kosten würde – blieben die Löhne noch weit unter dem europäischen Durchschnitt. Der Staat will oder kann aber nur 30-40 Milliarden Ft für strukturelle Veränderungen im Gesundheitswesen zur Verfügung stellen, die noch dazu aus der zukünftigen Volksgesundheitsteuer gewonnen werden sollen. Es bleibt offen, ob diese Gelder auch für Lohnerhöhungen zur Verfügung stehen oder wieder nur zur Konsolidierung von Krankenhäusern verwendet werden müssen.
Ein erster Schritt zur Annäherung von Politik und Gesundheitswesen wurde kürzlich mit der Neuregelung der Arbeitszeiten und der besseren Abrechnung der Überstunden von Ärzten getan. Doch lange lassen sich die Ärzte wohl nicht mehr hinhalten und angesichts des weltweiten Mangels an gut ausgebildetem Personal sollte die Politik rasch Lösungen finden, um sie im Lande zu halten. Eine Abwanderung würde das Gesundheitswesen noch weiter schwächen: die Zeit pro Patient würde noch kürzer, die sowieso schon langen Wartezeiten der Patienten noch länger.
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