Löws heikler Auftrag für B-Kader gegen Türkei

Es wird erneut eine Länderspiel-Periode mit vielen Fragezeichen. Die Gefahr von Corona-Infektionen ist weiter präsent, der sportliche Wert des Türkei-Tests auch bei den Fans umstritten. Dennoch will der Bundestrainer endlich wieder Siege feiern. Der erste Spieler sagt ab.

Der Hauptauftrag von Joachim Löw an seinen XXL-Kader vor dem ungeliebten und komplizierten Länderspiel-Dreierpack ist deutlich, aber heikel.

«Wir müssen uns so präsentieren, dass die Zuschauer auch wieder Lust auf die Nationalmannschaft haben», erklärte der Bundestrainer noch vor dem Treffen des ersten Teils seines riesigen Aufgebots am Montag in Köln. Nach langer Corona-Zwangspause und den beiden unbefriedigenden Unentschieden zum Restart der Fußball-Nationalmannschaft gegen Spanien und die Schweiz soll nun unbedingt wieder ein Sieg her.

«Mit ein bisschen Abstand habe ich mich wahnsinnig geärgert», gestand Löw mit Rückblick auf die beiden 1:1-Partien: «Wir haben leichtfertig Torchancen vergeben und letztlich zwei Siege liegen lassen, daraus müssen wir lernen, das müssen wir besser machen.» Die Umstände allerdings lassen befürchten, dass auch am Mittwoch im Testspiel gegen die Türkei und dann in den Punktspielen am Samstag in der Ukraine und drei Tage später wieder in Köln gegen die Schweiz Glanzvorstellungen kaum zu erwarten sind.

Die Corona-Pandemie spitzt sich wieder zu und hat auch den Fußball von Liverpool über Salzburg bis hin in die 2. Bundesliga nach Aue erfasst. Die Vereine geben ihre Spieler nur mit größten Bedenken frei, obwohl der Deutsche Fußball-Bund Löws Auserwählte wie schon bei den September-Partien wieder in eine Hygiene-Blase quasi ohne Kontakte zur Außenwelt steckt. Dennoch forderte Löw: «Wir müssen wieder gierig, hungrig, konsequenter und kaltblütiger werden.» Ob das Publikum dem traut und ob in Köln die vom DFB angestrebten 9200 Fans überhaupt ins Stadion dürfen, ist noch unklar. «Wir haben noch keine Zeichen», erklärte der DFB.

Zudem hat Löw selbst die Freundschafts-Partie gegen die Türkei als bedenklich eingestuft, da die durch den Wettkampfkalender ohnehin sensible Belastungssteuerung mit nun drei Spielen in sieben Tagen noch komplizierter wird. Seine Vorgaben gelten «besonders für die beiden Spiele in der Nations League», machte der 60-Jährige bereits deutlich. Deshalb verzichtete er am Mittwoch nochmals auf fünf Münchner um Kapitän Manuel Neuer sowie zwei Leipziger Profis und schickt gegen die Türkei einen B-Kader ins Rennen. Auch Toni Kroos soll erst Dienstag anreisen. Der Einsatz des Real-Madrid-Stars ist wegen einer Muskelverletzung ohnehin arg gefährdet.

Die Sportliche Leitung ist in ständigem Austausch mit den Vereinen, um angesichts der vielen Fragezeichen um die Länderspiele neue Disharmonien zu verhindern. «Wir verstehen, dass man sich in den Clubs Gedanken macht», bemerkte Löw, verwies aber auch auf seine Interessen: «Als Nationaltrainer sehe ich jedoch nicht nur die Perspektive der Vereine, sondern auch die der Spieler und vor allem unsere eigenen Ziele. Sportlich muss die Nationalmannschaft bei der EURO im nächsten Sommer an ihrem Leistungszenit sein. Da müssen wir topfit sein – mental und physisch.»

So stufte der DFB-Chefcoach das Türkei-Spiel kurzerhand als «willkommene Gelegenheit» ein, «gewisse Dinge zu testen und einiges auszuprobieren». Der Gladbacher Jonas Hofmann zeigte sich am Wochenende beim 3:1-Sieg seiner Gladbacher in Köln mit zwei Tore-Vorbereitungen motiviert von seiner ersten A-Team-Einladung. Der zweite Neuling, Mahmoud Dahoud, kam beim 4:0 der Dortmunder Borussia gegen Freiburg gar nicht zum Einsatz.

Andere Kandidaten für die Mittwoch-Partie wie die BVB-Profis Julian Brandt und Nico Schulz oder der Neu-Leipziger Benjamin Henrichs durften in der Bundesliga nur als Einwechselspieler ran. Der Schalker Suat Serdar musste beim 0:4 der Schalker bei RB Leipzig mit einer Oberschenkelblessur vom Platz und fällt für das DFB-Team aus. Damit hat Löw noch 28 Spieler im Aufgebot.

Die 23-Mann-Abordnung, die am Freitag die Reise ins Corona-Risikogebiet Kiew antritt, will der Bundestrainer erst kurzfristig bestimmen. «Wir werden wieder penibel sämtliche Maßnahmen ergreifen, um das Risiko, sich zu infizieren, so gering wie möglich zu halten», betonte Löw. Anschließende Quarantäne-Maßnahmen nach dem Ukraine-Trip muss das Nationalteam zumindest nicht befürchten. Das hat Nordrhein-Westfalen dem DFB schon zugesichert, wenn es in der umfangreichen Corona-Testreihe nur negative Ergebnisse gibt.

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