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Hilfe, ich habe geerbt! (4)

Eine fünfteilige Serie zu „Erben und Vererben in Ungarn“ – von Dr. Marc-Tell Madl

Teil 4: Das Nachlassverfahren… „und was folgt danach“

Beim notariellen Nachlassverfahren in Ungarn kommt alles zusammen: Die potenziellen Erben treffen – oft das erste Mal – persönlich aufeinander, wobei materielle Interessen mit mehr oder weniger guten rechtlichen Argumenten zuweilen sehr emotional vorgetragen werden. Die Rolle des Notars ist es, Sachverhalt und Rechtslage zu klären und die Parteien im Idealfalle zusammenzubringen. Schon aus diesen Gründen ist es förderlich, mit Hilfe eines Anwalts das Gespräch sowohl mit dem Notar als auch mit der Gegenseite zu suchen. Dabei muss der Blick fortwährend auf das „Danach“ gerichtet sein. Denn alles, was sich im formalen Nachlassverfahren nicht klären lässt, wird zwangsläufig zum Thema bei der späteren Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft.



Ziel im Nachlassverfahren muss es sein, entweder den eigenen Rechtsstandpunkt bis zur Nachlassentscheidung des Notars durchzusetzen oder zumindest günstige Voraussetzungen für die spätere Abwicklung durch die Erbengemeinschaft zu schaffen. Was es dafür braucht: Ein gutes Verständnis der eigenen rechtlichen Position, eine klare Linie (wenn nicht Taktik) und Fingerspitzengefühl.

Eine klare Rechtsposition erlaubt ein klares Auftreten und entschiedene Verfahrenshandlungen. So muss zum Beispiel der überlebende Ehegatte, welcher der Meinung ist, Teile des Nachlasses fielen in sein Privatvermögen und nicht in das Vermögen des Erblassers – etwa weil ihm eine Immobilie im Rahmen der ehelichen Zugewinngemeinschaft zur Hälfte gehörte – eine Aussetzung des Nachlassverfahrens beantragen. Bei unklarer Rechtslage, sehr häufig dann, wenn sich Teile des Nachlasses nicht in Ungarn befinden und einem fremden Recht unterfallen, sollte darauf bestanden werden, dass der Notar eine Rechtsauskunft einholt. Sollten solche Verfahrensmittel nicht zur Verfügung stehen und aus rechtlicher Sicht „Waffengleichheit“ herrscht, bleibt nur, noch besser zu planen. Hierbei hilft es, die entscheidenden Stellschrauben zu kennen, die sich im Wesentlichen immer um zwei Punkte drehen: Geld und Zeit, wobei Zeit Geld ist. Jede langwierige Verhandlung im Rahmen des Nachlassverfahrens treibt die Kosten für alle Beteiligten in die Höhe. Immobilien müssen unterhalten werden, Beraterkosten steigen und das herbeigesehnte Erbe verzögert sich. Diese Faktoren zwingen so manchen Beteiligten zum Kompromiss. Vielleicht gibt sich jetzt ein „schwieriger Erbe“ mit dem Vermögen auf dem Sparkonto zufrieden, während die anderen, kooperativeren Erben zusammen die Immobilie aus dem Nachlass verkaufen. Nicht zuletzt kommt ja auch noch das Finanzamt.

Die Erbengemeinschaft – je kürzer, desto besser

Mit dem Beschluss des Notars wird der Nachlass in der Regel anteilig an die Erben übertragen. Bei Immobilien müssen die Erben als Erbengemeinschaft gemeinsam die Immobilie verwerten. Hier kann der Erbschaftssteuerbescheid, der aufgrund der Ebbe in den öffentlichen Kassen jetzt oft schon wenige Tage nach dem Beschluss eintrifft, die Parteien „motivieren“, die Abwicklung zu beschleunigen. Während Verwandte gerader Linie und der überlebende Ehepartner von der Erbschaftsteuer befreit sind, trifft es alle anderen Erben unter Umständen sogar doppelt – also in Ungarn und in ihrem Heimatland –, falls kein Steuerabkommen existiert, wie z. B. zwischen Ungarn und Deutschland. Diese Gemengelage lässt dann selbst die zerstrittensten Verwandten zusammenarbeiten. Der Dauerstress und die Kosten, die mit der Erbengemeinschaft als einer Zwangsgemeinschaft verbunden sind, machen vergleichsbereit. Es ist für alle Beteiligten das Beste, wenn sich die Erbengemeinschaft durch Verwertung des Nachlassgegenstandes so schnell wie möglich selbst überflüssig macht. Wer noch nie Mitglied einer Erbengemeinschaft war, dem sei gesagt: Stellen Sie sich endlose Elternabende oder Wohnungseigentümerversammlungen vor, für die Sie auch noch zahlen müssen. Und das ist noch verharmlosend.

Der Nachlassbeschluss des Notars – der Teufel steckt im Detail

Mit dem Nachlassbeschluss schließt der Notar das formale Nachlassverfahren ab. Der Beschluss ist rechtsmittelfähig. Die Frist dafür beträgt 15 Tage. Erfolg kann das Rechtsmittel allerdings nur haben, wenn der Beschluss Sach- oder Rechtsfehler enthält. Tatsächlich sind solche Fehler aber oft gar nicht der Grund, warum viele Beteiligte mit der Entscheidung des Notars unzufrieden sind. Erst bei der Abwicklung später zeigt sich nämlich, wie gut der Beschluss „mitverhandelt“ wurde. Mit etwas Geschick kann es den Erben gemeinsam gelingen, den Notar zu überzeugen, einen ausgehandelten Vergleich in den Nachlassbeschluss mit aufzunehmen. So können auch die oft feinsinnigen Anforderungen fremder Rechtsordnungen berücksichtigt werden. In zwei Bereichen werden die fatalen Folgen undurchdachter Beschlüsse besonders deutlich: Unglückliche Formulierungen können ungewollte steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen, wie z. B. eine zusätzliche Schenkungssteuer. Für die Schweiz ist speziell festzuhalten, dass die Übertragung selbst – auch im Rahmen einer Einigung im Verfahren – allein durch den Erbfall veranlasst wurde. Ein Dauerbrenner ist auch die ungenaue Benennung von Grundstücken, die eine Ein- bzw. Umtragung im ausländischen Grundbuch erschwert. Gleiches gilt für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses – eine Art internationaler Erbschein – durch den Notar. Auch hier kann jedes Wort entscheidend sein, und auch hier sollte man sich als Erbe oder als Gemeinschaft unbedingt eng mit dem Notar abstimmen. Bei diesem letzten Thema drängt sich dann natürlich die Frage auf: Wie werden eigentlich ausländische Nachlasszeugnisse in Ungarn umgesetzt? Oft ist ja ein Nachlassverfahren im Ausland schon abgeschlossen, eines ungarischen Verfahrens hatte es mangels Zuständigkeit nicht bedurft. Nun hält man einen Schweizer Erbschein oder ein Europäisches Nachlasszeugnis in der Hand und möchte seine Erbenstellung – etwa sein Eigentum an einer geerbten Immobilie – in Ungarn eintragen lassen. Ja, das ist ein so schwieriger Bereich, dass sogar schon der Europäische Gerichtshof eingreifen musste. Und auch aktuell sind dazu erneut Verfahren in Luxemburg anhängig.

Hierzu mehr im 5. und letzten Teil unserer Serie in der Balaton Zeitung.

INFORMATIONEN:

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