Eine fünfteilige Serie zu „Erben und Vererben in Ungarn“ – von Dr. Marc-Tell Madl
Teil 3: Es geht los – das Nachlassverfahren in Ungarn
Anders als der Erblasser ist der Erbe oder Vermächtnisnehmer bis zum Erbfall in einer recht passiven Rolle. Soweit er als Begünstigter in einem Testament bedacht wurde, hat er meist Kenntnis davon, und er ist auf den Erbfall vorbereitet. Anders verhält es sich jedoch oft bei den gesetzlichen Erben. Ein entfernter Verwandter ist verstorben, und plötzlich und unerwartet flattert Ihnen an Ihrem Wohnsitz in Deutschland, Österreich oder in der Schweiz ein Schreiben einer ungarischen Gemeinde ins Haus, wobei Sie als sprachunkundige Empfänger gerade verstehen, dass es wohl um ein verstorbenes Familienmitglied gehen muss und mit dessen Nachlass zu tun hat. Jetzt ist guter Rat teuer – oder vielmehr „noch teurer“, wenn Sie nicht aufpassen.
Wer sich nicht in Ungarn aufhält oder keine Beziehungen zum Land hat, kann jetzt eigentlich nur einen rechtlichen Beistand zuziehen, der diesen Vorgang einmal erläutert, die wichtigsten Fragen beantwortet und vor allem mit der Gemeinde das Gespräch sucht. „Gemeinde“ heißt hier die zuständige Gemeindeverwaltung am Wohnort des Verstorbenen. Sie bereitet das notarielle Nachlassverfahren in Ungarn vor und erstellt hierfür das so genannte Nachlassverzeichnis. Sie werden aufgefordert, sich selbst zu erklären, Ihnen bekannte mögliche weitere Erben zu benennen, ein Ihnen evtl. vorliegendes Testament herauszugeben und natürlich über weiteres, evtl. bekanntes Vermögen des Erblassers Auskunft zu geben (Immobilien, Bankkonten, Wertpapiere, Barvermögen). Alle Nachlassgegenstände in Ihrem Besitz (wie das vielleicht von Ihnen geliehene Auto des Erblassers) gehören in die Erbmasse und können nicht mehr ohne weiteres verkauft werden. Oft werden Erben von der Gemeinde nach ausländischen Immobilien befragt und darum gebeten, eine Wertschätzung abzugeben. Hier ist Vorsicht geboten: Ihre spontane Schätzung nach Bauchgefühl findet sich sehr wahrscheinlich später im Nachlassverzeichnis wieder und bestimmt unter Umständen neben den Notargebühren und der Erbschaftsteuer auch bei der Aufteilung des Nachlasses zwischen den Erben und sonstigen Begünstigten „was hinten für Sie rauskommt“.
Erben ist Arbeit!
Insgesamt werden Sie merken, dass Erben sehr viel Mühe verursacht und leider fast immer Konflikte auslöst. Aber schon in dieser ersten Phase des Nachlassverfahrens bei der Gemeinde können Sie selbst oder Ihr Beistand diese Konflikte abmildern und sich das Leben erleichtern. Es ist immer ratsam, schon bei Beginn des Verfahrens mit der Gemeinde die Details mit der Behörde zu ordnen und zu besprechen, die der Notar dann während des offiziellen notariellen Nachlassverfahrens ohnehin aufgreifen wird. Ja, Sie können den zuständigen Notar sogar schon kontaktieren, bevor er den Vorgang von der Gemeinde erhalten hat und den ersten mündlichen Nachlasstermin mit allen Beteiligten festlegt. Bei komplexen Erbschaften ist eine solche Abstimmung sehr hilfreich. Mit dem aktualisierten Nachlassverzeichnis lernen Sie auch alle anderen Miterben kennen und können versuchen, sich bereits im Vorfeld über eine Aufteilung des Nachlasses zu einigen. Eine Immobilie in Erbengemeinschaft bindet alle Beteiligten möglicherweise über Jahre, verlangt viel, viel Geduld und verursacht oft exorbitante Kosten. Miterben, die sich eigentlich „nicht grün sind“ müssen manchmal über Jahre in solchen Gemeinschaften zusammenarbeiten. Wie viel besser ist es dann, schon am Beginn des Verfahrens einen Kompromiss zu finden, wobei ein Erbe z.B. das Bargeld des Erblassers erhält und der andere die Immobilie oder man eine sonstige gerechte Lösung findet, die das Verfahren verkürzt. Auch hier kann sich schon entscheiden, ob man evtl. das Erbe ausschlagen will, denn man lernt ja mit dem Nachlassverzeichnis nicht nur das Vermögen des Erblassers kennen, sondern auch seine Schulden.
Die Leidtragenden – die nahen Verwandten und Lebenspartner
Richtig aufwendig wird es aber für die trauernden Lebenspartner und nahen Verwandten des Verstorbenen. Diese Gruppe trifft die Bürde, sich neben den rechtlichen Belangen auch um die persönlichen Verhältnisse des Erblassers kümmern zu müssen. Da ist die Bestattung, ganz persönliche Gegenstände des Verstorbenen sind zu ordnen, es sind Immobilien – oft weit abgelegen – zu räumen und instand zu halten, Fahrzeuge abzumelden und Rechnungen zu zahlen usw. Hier tauchen auch immer wieder rechtlich schwierige Situationen auf. Der Hinterbliebene mit Kontovollmacht will und muss laufende Forderungen der öffentlichen Versorgungseinrichtungen (Gas, Wasser, Strom) begleichen, und natürlich muss auch die Beerdigung bezahlt werden. Oft entstehen Begehrlichkeiten bei anderen Beteiligten, ihnen Gegenstande aus dem Nachlass vorab zu übergeben. Ein Grundsatz gilt hier immer: mit dem Tode des Erblassers fällt dessen ganzes Vermögen in den Nachlass, darüber einfach widerrechtlich zu verfügen, ist eine Straftat. Aber oft bleibt der betreuenden Person gar nichts anderes übrig, als auf den Nachlass zuzugreifen. Zwar werden berechtigte Auslagen im Nachlassverfahren erstattet, aber nicht alles kann von der betreuenden Person ausgelegt werden. In einem Notfall finden sich die nötigen Barmittel nur im Nachlass und diese müssen jetzt eingesetzt werden. Ein solches Vorgehen ist ausnahmslos sauber zu dokumentieren und den Erben oder Behörden mitzuteilen. Transparenz ist das A und O.
Jetzt kann das formale Nachlassverfahren bei dem zuständigen Notar endlich beginnen!
(Sehen Sie hierzu Teil 4 dieser Serie in der nächsten Ausgabe der Balaton Zeitung.)
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