Tausende neue Packstationen: DHL hängt die Konkurrenz ab

Sie sind ein großer knallgelber Bestandteil von Parkplätzen oder Bahnstationen: Tausende Packstationen der Deutschen Post DHL stehen inzwischen im öffentlichen Raum, Tendenz steigend. Doch das Vorgehen des Marktführers sorgt auch für Kritik.

Die Deutsche Post DHL beschleunigt ihr Tempo beim Ausbau der Packstationen. Von derzeit etwa 6000 soll die Zahl der Abholanlagen bis Ende 2023 auf 12.000 steigen, wie das Unternehmen in Bonn mitteilte.

«Immer mehr Kunden nutzen die Packstationen», sagte der für Post und Paket Deutschland zuständige Konzernvorstand Tobias Meyer. Zudem griffen Bestandskunden häufiger auf die Abholmöglichkeit zurück. Besonders in Coronazeiten hätten mehr Menschen die Packstationen «für sich entdeckt». Außerdem hätten Einzelhändler, Nahverkehrsfirmen und Immobilienunternehmen großes Interesse daran, eine Station an ihren Standorten aufzustellen.

Die Packstationen sind gelbe Schrankwände aus Metall mit unterschiedlich großen Boxen, die etwa an Supermärkten, Tankstellen und Bahnhöfen stehen. Mit einem Abhol-Code können die Kunden ihre Pakete rund um die Uhr einsammeln oder zum Versand aufgeben, die Benutzung der Anlage ist kostenfrei. 2003 wurden erste Packstationen aufgestellt, inzwischen ist das Pionierprojekt ein etabliertes Massenphänomen geworden.

Derzeit hat nach DHL-Angaben die Hälfte der Bevölkerung in Deutschland eine Packstation in ihrer Nähe, also im Umkreis von einem Kilometer Entfernung. Künftig soll der Anteil steigen. Allerdings ist nicht immer garantiert, dass die Sendung auch wirklich an die Packstation geht, die man beim Online-Bestellen als Adresse angibt. Denn ist besagte Station voll, landet das Paket woanders und der Verbraucher muss wider Erwarten einen weiteren Weg auf sich nehmen.

Der Konzern gab Pläne für einen stufenweisen Ausbau bekannt: Ende dieses Jahres sind es planmäßig 6500 – das wären 2100 mehr als 2019. Ende 2021 sind mindestens 8500 eingeplant, ein Jahr später 10 500 und Ende 2023 dann insgesamt mindestens 12 000. Eine Investitionssumme nannten die Bonner nicht.

In den Packstationen landen ausschließlich Pakete, die DHL transportiert hat – Sendungen anderer Dienstleister sind außen vor. Die Wettbewerber des ehemaligen Staatsmonopolisten setzen zwar ebenfalls auf automatisierte Stationen, dies aber eher zurückhaltend – von einem flächendeckenden Ausbau sind sie noch weit entfernt. DPD und Hermes haben ein Gemeinschaftsunternehmen namens Parcellock, das unter anderem in großen Mietshäusern kontaktlose Paketstationen installiert hat – wie viele es sind, ist nicht bekannt.

Auch Pakete vom kleineren Konkurrenten GLS landen in diesen Boxen. Außerdem hat Parcellock im Februar 2020 in Kooperation mit der Deutschen Bahn und der Hamburger Hochbahn ein Pilotprojekt für Anlagen im öffentlichen Raum begonnen, bei dem an 22 Bahnstationen Paketstationen installiert wurden.

Während die DHL-Konkurrenz im öffentlichen Raum noch ausprobiert, gehen die Bonner in die Vollen und bauen bald Tausende neue gelbe Kastenwände auf. Branchenexperten werten das forcierte Tempo positiv. «Paketstationen haben für beide Seiten Vorteile – für den Dienstleister und für den Kunden», sagt der Logistik-Professor Kai-Oliver Schocke. Die Firma könne erheblich Kosten sparen, weil die Zeit für die Paket-Übergabe deutlich schrumpfe – schließlich könnten die Sendungen in großer Zahl an den Paketboxen abgeladen werden, anstatt einzeln an Haustüren zu klingeln. «In Innenstädten hat ein Paketbote mitunter nur drei Minuten Zeit vom Anhalten über die Übergabe bis zum Wiederlosfahren», erklärt der Professor.

Das «Haustürgeschäft» sei eine teure Sache für die Logistiker, weil viele Adressaten tagsüber nicht da seien und der Paketbote dann beim Nachbarn klopfen müsse. Paketboxen würden die Arbeitszeit pro Übergabe reduzieren und dadurch in absehbarer Zeit die Investitionskosten für die Anlagen ausgleichen. Die Corona-Pandemie gebe Übergabepunkten ohne Kontakt zu anderen Menschen zusätzlichen Schub, schließlich wollten viele Adressaten den direkten Kontakt mit Paketboten vor ihrer Haustür meiden, sagt Schocke.

Allerdings bemängelt der Wissenschaftler, dass die Deutsche Post DHL bei ihren Packstationen einen Alleingang macht, anstatt sich auf anbieterneutrale Anlagen mit den Wettbewerbern einzulassen. «Der Platz für solche Stationen an den richtigen Orten ist begrenzt», so der Professor. «Der Kunde will sein Paket haben bei der Abholstation in nächster Nähe – ihm ist es egal, von welchem Anbieter die ist.»

Schocke und andere Wissenschaftler von der Frankfurt University of Applied Sciences haben unlängst das Forschungsprojekt «Dein Depot» durchgeführt, in dessen Rahmen rund 2000 Bundesbürger nach ihrer Haltung zu anbieterneutralen Paketabholstationen befragt wurden. 60 Prozent gaben an, dass sie so ein Angebot nutzen würden. Von diesen wiederum wären 60 Prozent bereit, Geld für so eine Abholmöglichkeit in nächster Nähe zu bezahlen, und zwar im Schnitt 73 Cent pro Paket. «Das zeigt, dass in der Bevölkerung ein Interesse an einer übergeordneten Branchenlösung vorhanden ist», sagt Schocke.

DPD und Hermes rühren unterdessen weiter die Werbetrommel für ihre Parcellock-Stationen. «Eine anbieterneutrale Lösung ist der richtige Weg», sagt Peter Rey von DPD, einer Tochter der französischen Post. Mit ihrer Forderung nach einer Branchenlösung stoßen die DHL-Konkurrenten in Bonn aber auf taube Ohren – die Deutsche Post DHL geht lieber allein voran. Branchenkenner Schocke hat dafür eine einfache Erklärung: «DHL hat ausreichend Marktmacht, so dass eine Kooperation mit anderen nicht notwendig ist.»

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