Signale für längere Zusatz-Förderung von E-Autos

Die gebeutelte Autobranche ist erneut – per Videoschalte – zu Gast im Kanzleramt. Es geht darum, Jobs zu retten, aber auch den Klimaschutz voranzubringen. Tun könnte sich etwas beim Dauerbrenner E-Mobilität.

Für einen weiteren Schub zu mehr Elektro-Autos auf deutschen Straßen zeichnet sich in der schwarz-roten Koalition eine Verlängerung erhöhter Kaufanreize ab.

Vor einem Spitzengespräch von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Branchenvertretern am Dienstagabend sprachen sich Union und SPD dafür aus, die bis Ende 2021 laufende «Innovationsprämie» bis Ende 2025 fortzuführen. Ergänzend soll aber auch das bundesweite Ladenetz für E-Autos weiter ausgebaut werden. Rückenwind gab es außerdem für ein Abwrackprogramm alter Lastwagen.

Die erhöhte E-Auto-Förderung habe zu einem «erkennbaren Sinneswandel bei Verbrauchern und Herstellern geführt», sagte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung müsse nun für Kontinuität sorgen durch die Verlängerung der Prämie, aber auch den Ausbau von Ladekapazitäten und der Fertigung von Batteriezellen. CSU-Chef Markus Söder sagte, eine Verlängerung der Prämie sei ein «ganz wichtiger Schritt», der Arbeitsplätzen und Klima helfe. Eine Prämie auch für moderne Verbrenner-Pkw, die er in der Corona-Krise gefordert hatte, sei «im Moment eher schwierig». Abwrackprämien für alte Lkw brächten eine «substanzielle Verbesserung der Luftqualität».

Eine Verlängerung der «Innovationsprämie», über die Autokäufer einen Zuschuss von bis zu 9000 Euro bekommen können, hatte auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gefordert. Bisher werden reine E-Autos wie Plug-in-Hybride damit gefördert, die sowohl elektrisch als auch mit Sprit fahren. Seit die bestehende Kaufprämie (Umweltbonus) über eine «Innovationsprämie» deutlich erhöht wurde, steigen die Absatzzahlen. Bis Ende 2021 verdoppelt der Bund seinen Anteil am Umweltbonus, der eigentlich je zur Hälfte aus Steuergeldern und von Herstellern gezahlt wird. Dies gehört zu einem Konjunkturpaket, das Folgen der Corona-Krise abfedern soll.

Der Autofahrerclub ADAC meldete Bedenken an. Die Umweltprämie gelte ohnehin bis 2025, die zusätzliche Erhöhung als Innovationsprämie sollte nicht über 2023 hinaus gezahlt werden, sagte Verkehrspräsident Gerhard Hillebrand. Bei Plug-in-Hybriden solle die Prämie zudem von der elektrischen Nutzung abhängig gemacht werden.

Eine Vorlage des Kanzleramts vor dem Spitzengespräch, die noch nicht mit allen Ministerien abgestimmt war, stellte für die E-Auto-Prämie eine weitere Milliarde Euro in Aussicht, ebenso für die Lkw-Förderung – davon 500 Millionen für Unternehmen und ebenso viel für öffentliche Anschaffungen. An der Videokonferenz sollten Vertreter der Branche, mehrerer Länder, Gewerkschafter und die Koalitionsspitzen teilnehmen. Bei den «Autogipfeln» geht es um die Zukunft der wichtigen Branche, die einerseits in der Corona-Krise unter Druck steht, andererseits den Wandel zu umwelt- und klimafreundlicher Mobilität schaffen soll.

Ein Abwrack- und Austauschprogramm für ältere Lastwagen hatte unter anderem Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gefordert. Laut der Vorlage sollen Modelle mit neuen Verbrennungsmotoren gefördert werden, die bestimmte Bedingungen erfüllen, etwa vergleichsweise wenig Treibhausgase ausstoßen. Walter-Borjans betonte, E-Mobilität und CO2-freie Antriebe müssten «fühlbar höher gefördert werden».

Umweltschützer kritisierten die Vorhaben. Eine Verlängerung der hohen E-Auto-Anreize sei «inakzeptabel», sagte BUND-Verkehrsexperte Jens Hilgenberg. Das gelte besonders für Plug-in-Hybride. Der Bund solle Zulieferern helfen, «mit neuen Produkten die Abhängigkeit vom Auto zu durchbrechen». Greenpeace-Experte Tobias Austrup sagte: «Statt teure Prämien für E-Autos bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu verlängern, braucht es deutliche Aufschläge für klimaschädliche Autos.» Die Umwelthilfe forderte statt Lkw-Prämien mehr Schienengüterverkehr.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die mögliche Verlängerung der Kaufprämie dagegen «richtig», mahnte aber auch an, sie in ein «Bonus-Malus-System» zu überführen, das saubere Autos begünstigt und klima- und umweltschädliche verteuert. «Das schont den Haushalt und setzt die Anreize endlich stärker auf Klimaschutz», sagte er der dpa.

SPD-Fraktionsvize Sören Bartol warnte: «Wenn nächstes Jahr nicht genügend Ladesäulen da sind, gibt es einen Riesenfrust.» Die zuständigen Bundesminister müssten den Ausbau besonders an Autobahnen und in den Kommunen voranbringen. «Im Zweifel muss der Staat mit Versorgungsauflagen für einen schnelleren Ausbau sorgen oder, wenn das nicht schnell genug geht, auch selbst bauen.»

In der Vorlage für die Sitzung wird als Ziel formuliert, dass bis Ende 2022 mindestens 25 Prozent aller Tankstellen mit Schnelllade-Ladeinfrastruktur ausgestattet sein sollen, Ende 2024 schon 50 Prozent und Ende 2026 dann 75 Prozent, also drei von vier. Dafür soll es Fördergelder und falls notwendig auch ein Gesetz geben.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) sieht ebenfalls erheblichen Nachholbedarf. «Heute kommen bereits 13 E-Pkw auf einen Ladepunkt, Ostern werden es nach unseren Prognosen 20 sein», sagte Präsidentin Hildegard Müller der dpa. «Ziele zu haben beim Hochlauf der Elektromobilität ist gut – aber mich interessiert die Umsetzung.»

Dagegen hatte der Energieverband BDEW darauf hingewiesen, dass die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladepunkte inzwischen auf mehr als 33 000 geklettert sei. Damit seien binnen sechs Monaten mehr als 5300 Ladepunkte hinzugekommen – und das, obwohl sich das Aufstellen einer Ladesäule bei der jetzigen Zahl der E-Autos noch nicht rechne.

Die IG Metall mahnte, es gehe um Weichenstellungen für eine Leitbranche in Deutschland. «Was jetzt an Unternehmen und Beschäftigung verloren geht, kann nicht mehr innovativ sein und auch nicht mehr transformiert werden», sagte Automobilexperte Kai Bliesener der dpa. Er bekräftigte die Forderung unter anderem nach einem Beteiligungsmodell für Zulieferer für Verbrennungsmotoren, die besonders unter Druck stehen. Staat und Hersteller seien in der Pflicht, sich an Fondsmodellen zu beteiligen.

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