Bei Protesten in Russland gegen die Verurteilung des Kremlgegners Alexej Nawalny hat es Menschenrechtlern zufolge viele Verletzte gegeben.
Das Portal ovd-info berichtete von Festgenommenen, die durch Polizeigewalt etwa an den Händen, Armen oder am Kopf Verletzungen erlitten hätten. Die Sicherheitskräfte hätten sich in einigen Fällen geweigert, medizinische Hilfe zu organisieren. Die Agentur Interfax meldete, allein in Moskau hätten 13 Menschen Ärzte aufgesucht. In St. Petersburg im Norden des Landes seien acht Demonstranten mehr als drei Stunden lang in Gefangenentransporter festgehalten worden.
Bei den Protesten gegen die Verurteilung Nawalnys hatte es den Menschenrechtlern zufolge insgesamt mehr als 1400 Festnahmen gegeben, die meisten davon in der Hauptstadt Moskau mit mehr als 1100. In neun weiteren Städten kamen demnach ebenfalls Demonstranten in Polizeigewahrsam.
Die Nachrichtenagentur Interfax meldete, in Moskau würden nach den Kundgebungen am Dienstag rund 1300 Menschen zur Verantwortung gezogen. In vielen Fällen müssen die Teilnehmer mit einer Geldstrafe rechnen – oder mit mehreren Tagen in Haft.
Ein Gericht in Moskau hatte Nawalny zu dreieinhalb Jahren Straflagerhaft verurteilt, weil er aus Sicht der Richterin mehrfach gegen Bewährungsauflagen in einem früheren Strafverfahren von 2014 verstoßen hat. Nach Angaben seiner Anwälte wird ihm womöglich ein früherer Hausarrest angerechnet. Dann müsste er zwei Jahre und acht Monate in ein Straflager. Er käme somit im Oktober 2023 wieder frei.
Das Urteil hatte international für scharfe Kritik gesorgt. Bundeskanzlerin Angela Merkel und andere Spitzenpolitiker forderten die sofortige Freilassung des Oppositionellen. «Das Urteil gegen Alexej Nawalny ist fernab jeder Rechtsstaatlichkeit», ließ Merkel mitteilen. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nannte die Haftstrafe einen Verstoß Russlands gegen seine internationalen Verpflichtungen.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron schrieb auf Twitter: «Ein politischer Dissens ist niemals ein Verbrechen.» Auch der britische Premier Boris Johnson äußerte sich dort, er twitterte, Nawalnys Entscheidung zur Rückkehr nach Russland nach seiner Genesung sei «mutig und selbstlos» gewesen. Das Urteil gegen ihn sei dagegen «reine Feigheit» und entspreche nicht den Mindeststandards der Justiz. Der tschechische Außenminister Tomas Petricek sprach von einem «Schauprozess» mit vorhersehbarem Ausgang, der die Opposition in Russland zum Schweigen bringen solle.
Bereits unmittelbar nach der Urteilsverkündung am Dienstag waren Tausende Russinnen und Russen auf die Straße gegangen. Bei Protestzügen durch das Zentrum Moskaus skandierte die Menge «Freiheit» und «Putin ist ein Dieb!». Proteste gab es auch in St. Petersburg im Norden des Landes. Dort hätten die Sicherheitskräfte ebenfalls viele Demonstranten in Polizeibusse gesteckt, meldete «ovd-Info». Medien berichteten, dass Polizisten bei Festnahmen erneut Elektroschocker eingesetzt hätten.
Erneut gerieten auch Journalisten ins Visier der Einsatzkräfte. Es gab mehrere Festnahmen. In einem Video war zu sehen, wie ein Beamter der auf Anti-Terror-Einsätze spezialisierten Sonderpolizei OMON auf einen Medienvertreter einschlug, der dann am Boden liegen blieb.
Die Demonstranten werfen Präsident Wladimir Putin vor, ihnen demokratische Freiheiten zu rauben. Bereits am vergangenen Wochenende waren bei Kundgebungen nach Angaben des Portals ovd-Info landesweit mehr als 5500 Menschen festgenommen worden.
Nawalny hatte seinen Auftritt vor Gericht genutzt, um Putin erneut als Verantwortlichen für den Mordanschlag auf ihn anzuprangern und als «Wladimir, der Vergifter der Unterhosen» zu verspotten. Der Oppositionelle rief die Menschen auf, trotz des Drucks ihre Angst zu überwinden.
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