Nord Stream 2 baut umstrittene Gasleitung weiter

Der Widerstand gegen die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 hat wegen der politischen Spannungen mit Moskau zuletzt noch einmal zugenommen. Trotz US-Sanktionen und Protesten von Umweltschützern werden jetzt wieder Rohre verlegt. Wird die Leitung bald fertig?

Nach einem Baustopp setzt die Nord Stream 2 AG ungeachtet von US-Sanktionen ihre Verlegearbeiten an der umstrittenen deutsch-russischen Ostsee-Gasleitung fort.

«Das Pipeline-Verlegeschiff «Fortuna», das am 24. Januar die Arbeiten im Verlegekorridor in der dänischen Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) aufgenommen hatte, hat nach erfolgreichen Verlegetests heute mit der Weiterverlegung begonnen», teilte die Projektgesellschaft am Samstagabend mit. Die USA und mehrere EU-Staaten sind gegen das fast fertige Milliardenprojekt, weil sie eine zu hohe Abhängigkeit von russischem Gas befürchten.

Alle Arbeiten erfolgten in Übereinstimmung mit den vorliegenden Genehmigungen, teilte das Unternehmen mit. «Zum Bauablauf und den weiteren Planungen werden wir entsprechend informieren», hieß es. Schon vor gut zwei Wochen hatte das russische Spezialschiff «Fortuna» mit Vorbereitungen und Tests begonnen. Zuletzt war Ende des vergangenen Jahres ein 2,6 Kilometer langer Abschnitt in deutschen Gewässern fertiggestellt worden. Der Bau hatte zuvor ein Jahr geruht, nachdem Sanktionsdrohungen aus den USA Ende 2019 zum Abzug von Spezialschiffen einer Schweizer Firma geführt hatten.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sprach sich trotz der aktuell belasteten Beziehungen zu Russland für den Weiterbau der Ostsee-Gasleitung aus. «Das eine sind seit Jahrzehnten bestehende Wirtschaftsbeziehungen und Wirtschaftsprojekte von Unternehmen, das andere sind schwere Menschenrechtsverletzungen und unsere Reaktionen darauf», sagte der CDU-Politiker der «Bild am Sonntag». Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuletzt betont, dass sie Nord Stream 2 und den Fall des Kremlkritikers Alexey Nawalny nicht miteinander verknüpfen wolle. Wegen der Inhaftierung Nawalnys werden in der EU bereits seit dem vergangenen Monat neue EU-Sanktionen gegen Russland diskutiert.

Nach Angaben von Nord Stream 2 sind 94 Prozent des rund 1230 Kilometer langen Doppelstrangs bereits fertiggestellt. Er soll einmal 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern. Den Angaben zufolge fehlen noch etwa 120 Kilometer in dänischen und 30 Kilometer in deutschen Gewässern. Das zuständige Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) hatte Mitte Januar den sofortigen Weiterbau in deutschen Gewässern erlaubt, nachdem die Genehmigung Ende vergangenen Jahres ausgelaufen war. Derzeit ist die Genehmigung allerdings außer Kraft, weil Umweltverbände Widerspruch eingelegt haben.

Das fast vollendete Projekt steht zunehmend unter Druck. Nachdem schon Sanktionsdrohungen aus den USA zum Ausstieg von Firmen geführt hatten, hatte sogar der russische Gasmonopolist Gazprom in einem Investorenpapier zuletzt nicht ausgeschlossen, dass das Projekt wegen politischer Spannungen noch platzen könnte. Die US-Regierung hatte kurz vor dem Ende der Amtszeit von Präsident Donald Trump konkrete Strafmaßnahmen gegen das russische Unternehmen KVT-RUS verhängt und erklärte deren Verlegeschiff «Fortuna» zu «blockiertem Eigentum».

Es blieb aber unklar, welche Auswirkungen das auf das Schiff außerhalb von US-Hoheitsgewässern hat. Russland, das etwa auch über das Verlegeschiff «Akademik Tscherski» verfügt, kritisiert die US-Strafmaßnahmen als Verstoß gegen internationales Recht.

Das US-Außenministerium hatte die Sanktionen damit begründet, dass die Fertigstellung von Nord Stream 2 Russland die Möglichkeit eröffnen würde, «natürliche Ressourcen als Mittel für politischen Druck und bösartigen Einfluss gegen Westeuropa zu nutzen». Auch der neue US-Präsident Joe Biden ist gegen Nord Stream 2. Die USA wollen etwa verhindern, dass die Ukraine als wichtigstes Transitland für russische Gaslieferungen in die EU ausgeschaltet wird. Das chronisch klamme Land ist dringend auf die Milliardengebühren für die Durchleitung des Energieträgers angewiesen.

Auch in Europa nimmt die Kritik an Nord Stream 2 wegen der politischen Spannungen zu. Nach der Inhaftierung des Kremlgegners Alexej Nawalny, Moskaus Ausweisung von drei Diplomaten aus Deutschland, Polen und Schweden und der Unterdrückung Andersdenkender in Russland brauche es entschlossene Schritte von Bedeutung. Das sagte der CDU-Politiker und Europaabgeordnete Michael Gahler am Samstagabend in einer Videokonferenz. «Die große Mehrheit des Europäischen Parlaments ist dafür, Nord Stream 2 zu stoppen – das Symbol für den Versuch, die Ukraine zu schwächen und russische Oligarchen reicher zu machen und die Unterdrückung der Menschen in Russland, in Belarus und in den okkupierten Gebiete der Ukraine zu finanzieren», sagte das Mitglied der EVP-Fraktion.

Befürworter der Pipeline wiederum werfen den USA vor, sie wollten nur das eigene und teurere Flüssiggas in Europa verkaufen. Russland hatte immer wieder damit geworben, dass sein Gas umweltfreundlicher gewonnen werde und deutlich billiger sei. Mecklenburg-Vorpommern hat eine landeseigne Stiftung gegründet, die gegebenenfalls auch gewerblich aktiv werden kann und so das Projekt etwa durch Ankäufe von Maschinen und Material vor Sanktionen schützen könnte. Laut Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) wird das russische Erdgas für Gaskraftwerke als Brückentechnologie der Energiewende benötigt.

Die Grünen im Bundestag hingegen halten die Leitung für nicht notwendig. Das Gas kommt auch ohne Nord Stream 2 über die Ukraine nach Deutschland. Weil die Leitung nicht wie geplant vor einem Jahr in Betrieb ging, musste Russland inmitten schwerer politischer Spannungen im Ukraine-Konflikt einen neuen Transitvertrag mit dem Nachbarn aushandeln. Die Ukraine sieht in Nord Stream 2 den Versuch Russlands, das Land weiter zu schwächen, damit es auseinanderfällt.

Umweltschützer bestreiten generell den Bedarf an Erdgas und kritisieren Nord Stream 2 als Fehlinvestition in einen fossilen Energieträger. Sie betonen die klimaschädliche Wirkung von Erdgas, etwa durch entweichendes Methan bei der Förderung und beim Transport.

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