Italien bekommt eine neue Regierung: Am Samstag wird der Ex-Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, mit seinem neuen Kabinett im Palast des Staatspräsidenten vereidigt. Damit endet eine gut vierwöchige Regierungskrise, die das Land mitten in der Corona-Pandemie blockiert hatte.
Draghi folgt auf den parteilosen Juristen Giuseppe Conte, der knapp eineinhalb Jahre ein Mitte-Links-Bündnis geführt hatte.
Der 73-jährige Ökonom hatte rund zehn Tage lang Konsultationen mit Parteien geführt und mit gesellschaftlichen Gruppen gesprochen. Am Freitagabend dann nahm er bei einem Treffen mit Staatspräsident Sergio Mattarella den Regierungsauftrag endgültig an. Zuvor hatte der Neu-Politiker einen Vorbehalt geltend gemacht, weil er seine Chancen auf eine Mehrheit im Parlament ausloten wollte.
Mattarella hatte Draghi als Kandidaten ausgewählt, nachdem alle Versuche zur Neubelebung des Mitte-Links-Bündnisses von Conte gescheitert waren.
Der frühere Währungshüter Draghi stellte am Freitag ein Kabinett mit Namen aus fast dem gesamten Spektrum von Links bis Rechts vor. Darunter sind zentrale Akteure der gescheiterten Vorgänger-Regierung: etwa Außenminister Luigi Di Maio und Gesundheitsminister Roberto Speranza. Hinzu kommen Parteienvertreter der bisherigen rechts-konservativen Opposition sowie Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Justiz.
Draghis neue Mannschaft wird die 67. Regierung der italienischen Republik. Auf der Ministerliste stehen fast doppelt so viele Politiker wie Experten. Die meisten Posten gingen an die Fünf-Sterne-Bewegung, die die stärkste Kraft im Parlament ist und zu der Di Maio gehört. Aber auch die Sozialdemokraten (PD), die konservative Forza Italia von Silvio Berlusconi und die rechte Lega von Matteo Salvini wurden bedacht. Matteo Renzis Splitterpartei Italia Viva, die die Regierung Contes Mitte Januar mit ihrem Austritt zu Fall gebracht hatte, ist ebenfalls wieder vertreten.
Draghi ist international als «Euro-Retter» bekannt, weil er in der Euro-Krise an der Spitze der Zentralbank EZB 2012 die Gemeinschaftswährung auch durch Machtwort stabilisieren konnte.
Das bisherige Bündnis unter dem parteilosen Juristen Conte (56) war Mitte Januar im Streit um den Einsatz von über 200 Milliarden Euro EU-Hilfen in der Corona-Krise geplatzt. Der Plan dafür, den Rom in Brüssel abliefern muss, hatte sich verzögert. Politiker und Experten warnten davor, dass Italien leer ausgehen könnte. Die Wirtschaftskraft des 60-Millionen-Einwohner-Landes war 2020 wegen der Pandemie um rund neun Prozent eingebrochen.
Das brisante Thema der Corona-Hilfen dürfte zu den ersten Aufgaben Draghis gehören. Außerdem hatte Staatschef Mattarella das Impfprogramm gegen das Virus als vorrangiges Projekt bezeichnet.
Draghi benötigt nach seiner Ernennung eine Bestätigung bei Vertrauensfragen im Zwei-Kammern-Parlament in Rom. Laut Verfassung muss sich eine neue Regierung innerhalb von zehn Tagen nach der Bildung in beiden Häusern vorstellen und eine Mehrheit bekommen. Es wird erwartet, dass Senat und Abgeordnetenkammer nächste Woche abstimmen. Die Mehrheiten gelten als gesichert. Der kleinere Senat teilte am Freitagabend mit, dort sei das Votum voraussichtlich für Mittwoch geplant.
Die Regierung Contes war die 66. in der Republik. Sie hatte ihre Arbeit im September 2019 aufgenommen.
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