Zahl der Privatpleiten auch im Corona-Krisenjahr gesunken

Die Zahl der Privatinsolvenzen ist im Corona-Jahr 2020 deutlich gesunken. Und auch Unternehmen hätten in normalen Zeiten deutlich häufiger aufgeben müssen als aktuell, sagen Ökonomen.

Trotz der Corona-Krise hat es 2020 erneut weniger Privatpleiten in Deutschland gegeben als ein Jahr zuvor.

Nach Daten der Wirtschaftsauskunftei Crifbürgel sank die Zahl der Privatinsolvenzen um 35,1 Prozent auf 56.324 Fälle. Es war der niedrigste Stand seit 2004. «Die rückläufigen Privatinsolvenzen sind nicht als Zeichen der Entspannung zu interpretieren, sondern als der Anfang einer Insolvenzwelle», sagte Crifbürgel-Geschäftsführer Frank Schlein am Donnerstag. Die wirtschaftlichen Folgen durch die Krise würden erst in diesem und im kommenden Jahr durchschlagen.

Ohne die Corona-Pandemie hätte es nach Einschätzung Schleins bereits 2020 bis zu 25.000 mehr Privatinsolvenzverfahren in Deutschland gegeben. «Diese werden nachgelagert zu den diesjährigen Insolvenzen hinzukommen.» Für dieses Jahr geht Crifbürgel aktuell von bis zu 90.000 Privatpleiten aus. 2022 könnte es dann 100.000 Fälle sein.

Eine ähnlich große Lücke sieht der Chef des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim, Achim Wambach, auch für Unternehmensinsolvenzen. «Die Zahl auf die wir kommen, ist 25.000», sagte er am Donnerstag auf einer Online-Konferenz zum Thema Wirtschaft nach der Corona-Krise. So viele Unternehmen hätten bei der aktuellen konjunkturellen Lage ohne Corona-Effekte zusätzlich Insolvenz anmelden müssen.

Grund für die Lücke seien nicht nur die Aussetzung der Insolvenzpflicht im Rahmen der Corona-Krise, sondern vor allem die Hilfskredite und Zuschüsse des Bundes, mit denen Insolvenzen zumindest vorläufig hätten verhindert werden können, betonte Wambach. «Das sind fast nur Kleinunternehmen», fügte er hinzu. «Bei den großen Unternehmen sehen wir diese Lücke nicht.»

Bei den Verbrauchern wiederum hätten nach Einschätzung Schleins Kurzarbeit und auch Ersparnisse die finanzielle Schieflage der Menschen im vergangenen Jahr teilweise abgemildert. Zudem hätten sich Bundesbürger mit Anschaffungen zurückgehalten und ihren Konsum eingeschränkt. Viele überschuldete Verbraucher hätten auf einen Gang zur Schuldnerberatung verzichtet oder diesen verschoben.

Betroffene warteten dabei auch die Gesetzesreform ab, nach der Verbraucher künftig einfacher nach drei statt wie bisher nach sechs Jahren von ihren Restschulden befreit werden können. Die Verkürzung wird rückwirkend auch für alle Insolvenzverfahren gelten, die ab dem 1. Oktober 2020 beantragt wurden. Für Privatpersonen bestehe bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung keine unmittelbare Insolvenzantragspflicht.

Der Chef des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Gabriel Felbermayr, warf im Zusammenhang mit Unternehmensinsolvenzen der Politik eine fehlgeleitete finanzielle Hilfe für die Unternehmen vor. «Wir haben nicht den Unternehmern und Unternehmerinnen und ihren Familien geholfen, sondern wir haben ihren Fremdkapitalgebern geholfen», sagte er mit Blick auf die Soforthilfe- und Kreditprogramme des Bundes, die am Ende lediglich Immobilien-Vermietern, Leasinggesellschaften und Banken zugute kämen.

Es gebe zudem eine Unsicherheit, ob eine mögliche künftige Insolvenzwelle auch die kreditgebenden Banken treffen werde, sagte ZEW-Chef Wambach. Diese seien deutlich besser aufgestellt als noch bei der Finanzkrise vor rund zehn Jahren. Es bleibe aber angesichts der unbekannten Zahlen ein Risiko.

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