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Landtagswahlen: Grüne und SPD klare Sieger

In Baden-Württemberg bleibt Regierungschef Kretschmann der «Evergreen», in Rheinland-Pfalz kann Malu Dreyer weiterregieren. Die CDU sackt sechs Monate vor der Bundestagswahl auf historische Tiefstände.

Souveräne Siege für die Amtsinhaber, krachende Niederlage für die CDU: Bei den Landtagswahlen zum Auftakt des Superwahljahrs haben sich die Grünen in Baden-Württemberg und die SPD in Rheinland-Pfalz klar als stärkste Kraft behauptet.

Sechs Monate vor der Bundestagswahl stürzte die CDU mit ihrem neuen Parteichef Armin Laschet auf historisch schlechte Ergebnisse ab. In beiden Ländern könnten SPD, FDP und Grüne Hochrechnungen zufolge nun ein Ampel-Bündnis schmieden – und die CDU als je zweitstärkste Kraft außen vor lassen. In der Union wachsen Befürchtungen, dies könne ein Signal auch für den Bund sein.

Bei beiden Wahlen waren nach Analysen von Wahlforschern die populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann und Malu Dreyer Garanten für den Erfolg. Zugleich wurden demnach die CDU-Spitzenkandidaten als farblos und ihre Landesverbände als wenig kompetent wahrgenommen. Die Pleiten der CDU sind teils hausgemacht, wie in der Union eingeräumt wird.

So gerieten zuletzt mehrere bisherige Bundestagsabgeordnete unter Korruptionsverdacht, weil sie bei Geschäften mit Masken hunderttausende Euro als Provision verdient haben oder Zuwendungen aus dem autokratischen Aserbaidschan angenommen haben sollen. Zudem gab es massive Kritik an den CDU-Bundesministern Jens Spahn und Peter Altmaier wegen schleppender Corona-Impfungen, verschobener Massentestungen sowie verzögerter Nothilfezahlungen an Firmen und Selbstständige. Dazu kommt die ungelöste Machtfrage, wer am 26. September als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl zieht: der erst seit wenigen Wochen amtierende CDU-Chef Laschet oder doch CSU-Chef Markus Söder? Die Entscheidung soll nach Ostern fallen – für Laschet könnten die beiden Landtagswahlen eine schwere Bürde bedeuten.

Mit dem 72-jährigen Kretschmann, seit zehn Jahren erster und einziger Ministerpräsident der Grünen, gewann die Öko-Partei in Baden-Württemberg Hochrechnungen (gegen 22.45 Uhr) zufolge 32,7 bis 32,9 Prozent der Stimmen – das wäre ein Rekord sowohl im Land als auch bundesweit. Die CDU mit Kultusministerin Susanne Eisenmann an der Spitze schaffte demnach nur 24,0 bis 24,1 Prozent – ein historisch schlechtes Wahlergebnis in der einstigen CDU-Hochburg Baden-Württemberg. Die Sozialdemokraten kamen auf 10,9 bis 11,0 Prozent, die Freidemokraten auf 10,4 Prozent. Wahlsieger Kretschmann könnte nun seine Koalition mit der CDU als Juniorpartner fortsetzen oder aber auf ein Bündnis mit SPD und FDP umschwenken. Hauchdünn könnte es auch für Grün-Rot reichen. Er kündigte an, mit allen Parteien außer der AfD über mögliche Bündnisse zu sprechen.

Kretschmann sagte weiter, nicht nur die Corona-Krise erfordere nun Kreativität, Besonnenheit und Entschlossenheit. Es gelte auch, den Klimawandel zu begrenzen, den Strukturwandel der Wirtschaft zu meistern und die liberale Demokratie zu verteidigen.

Eisenmann will nun die Verantwortung für den Absturz der CDU übernehmen und strebt keine führende Rolle in der Partei mehr an, wie die bisherige Kultusministerin am Abend sagte. Es sei ein «enttäuschendes und desaströses Wahlergebnis».

In Rheinland-Pfalz kommt die SPD mit der 60-jährigen Dreyer an der Spitze laut den Hochrechnungen auf 35,7 bis 36,1 Prozent. Die CDU mit ihrem Spitzenkandidaten Christian Baldauf rutscht dagegen auf 27,1 bis 27,6 Prozent ab – das schlechteste Ergebnis für die Christdemokraten in dem Bundesland. Der 53-Jährige hatte es im Wahlkampf unter massiven Corona-Beschränkungen schwer, gegen die parteiübergreifend beliebte Dreyer zu punkten. Die Grünen konnten mit 9,3 bis 9,4 Prozent ihr Ergebnis von 2016 erheblich verbessern. Die FDP kam auf 5,5 bis 5,6 Prozent. Neu in den Landtag einziehen werden wohl die Freien Wähler, die bisher schon in Bayern im Parlament sitzen. Sie lagen den Hochrechnungen zufolge bei 5,2 bis 5,4 Prozent.

Obwohl die SPD ebenfalls eins der schlechtesten Wahlergebnisse seit Jahrzehnten hinnehmen muss, ist die von Dreyer angestrebte Fortsetzung der Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen den Hochrechnungen zufolge machbar. Es ist das einzige derartige Bündnis in Deutschland und nach Dreyers Ansicht ein Modell auch für den Bund. Dreyer kündigte baldige Gespräche zur Neuauflage der Ampel-Koalition an. Sie habe bereits vor der Wahl gesagt, dass sie sich eine Fortsetzung wünsche. Seit 30 Jahren stellen die Sozialdemokraten nun schon die Regierungschefs in dem von Helmut Kohl und Bernhard Vogel geprägten Land – so lange wie in keinem anderen westlichen Flächenbundesland.

Für die AfD war es in beiden Bundesländern erst die zweite Landtagswahl, sie blieb jeweils deutlich hinter den Ergebnissen von 2016 zurück, die politisch stark unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise standen. In Baden-Württemberg erreichte die AfD 9,7 bis 9,8 Prozent (2016: 15,1 Prozent), in Rheinland-Pfalz 8,3 bis 8,4 Prozent (2016: 12,6 Prozent). AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel sagte, ihrer Partei sei «rechtswidrig der Verfassungsschutz auf den Hals gehetzt worden». Zudem habe es «Repressalien auch gegen unsere Wahlkämpfer» gegeben.

Die Linke verpasste mit 3,6 Prozent in Baden-Württemberg und 2,5 Prozent in Rheinland-Pfalz den Einzug in beide Landtage. Sie war auch in beiden Ländern noch nie im Parlament vertreten.

Die Parteispitze der Grünen reagierte hocherfreut auf die Wahlerfolge. «Es ist ein super Start ins Superwahljahr», sagte Parteichef Robert Habeck. «Weitsicht und Pragmatismus» seien nun der Auftrag an die Grünen als gesamte Bundespartei aus diesem Wahlabend.

CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak begründete das schlechte Abschneiden seiner Partei mit der Lage in den Ländern und der Maskenaffäre der Union. Es habe in beiden Ländern keine Wechselstimmung gegeben, in der Krise vertrauten die Menschen den Regierungschefs.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sieht neue Koalitionsmöglichkeiten im Bund. «Dass heute eine Option sichtbar geworden ist, das ist doch ganz klar», sagte der Vizekanzler am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Anne Will». Es sei ein wichtiges Signal zum Beginn des Wahljahres, «dass es eine Mehrheit ohne die Union in Deutschland geben kann».

Wegen der Corona-Pandemie liefen die Wahlkämpfe im wesentlichen online oder übers Fernsehen und Interviews. Große Kundgebungen, Straßenwahlkampf und Hausbesuche waren kaum möglich. Nach Einschätzung von Wahlforschern begünstigte dies zusätzlich die Amtsinhaber gegenüber ihren Herausforderern. Die Wahlbeteiligung sank im Vergleich zu den Wahlen vor fünf Jahren. In Baden-Württemberg lag sie laut den Sendern bei 62,5 bis 64,5 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei 64,8 bis 65,0 Prozent (2016: jeweils 70,4 Prozent).

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