Hilfe, ich habe geerbt! (2)

Eine fünfteilige Serie zu „Erben und Vererben in Ungarn“ – von Dr. Marc-Tell Madl

Teil 2: Klarheit schaffen für die Nachfahren – Testament und Co.

Konflikte rund um die Erbschaft entstehen oft aus Unwissenheit und Überraschungen und können leider sehr hässlich sein. Dabei will der Erblasser doch gerade keine Erbstreitigkeiten verursachen, sondern vielmehr sein Vermögen, „sein Lebenswerk“, nur sicher an die für ihn richtigen Personen weitergeben und dabei oft noch die eine oder andere Freude bereiten. Wer als Erblasser Streit und langwierige Auseinandersetzungen zwischen den Erben vermeiden will, muss Vorsorge treffen. Das gilt umso mehr, wenn es um viel geht, d.h., ja, viel Geld, Immobilienvermögen, eventuell Wertpapiere oder sogar Unternehmensanteile. Die Nachlassregelung ist eine schwierige Aufgabe – aber sie ist sehr wichtig. Durchaus gibt es für die Regelung des Nachlasses zahlreiche Instrumente, wie etwa den Erbvertrag oder z.B. – oft steuerlich motiviert – Schenkungen von Todes wegen, aber das wohl wichtigste Instrument zur Regelung des Nachlasses ist und bleibt das Testament.


Testament – ja oder nein?

Ohne wirksames Testament tritt die gesetzliche Erbfolge ein. So schön, so gut. In meiner Heimatjurisdiktion kann ich in der Regel damit umgehen. Aber wer als Bürger der EU in Ungarn seinen letzten Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat – weil er seine letzten Lebensjahre hier verbringen will – verhilft damit ungewollt automatisch ungarischem Erbrecht und Verfahrensrecht zur Anwendung. Nicht nur sein ungarisches Vermögen, sondern auch sein sonstiger weltweiter Nachlass (!) wird dann in Ungarn nach ungarischem Recht abgewickelt. Das hat einschneidende Auswirkungen, die ich nur durch eine Rechtswahl in meinem Testament vermeiden kann. Zwar folgen alle hier interessierenden Rechtsordnungen (Ungarn, Deutschland, Österreich, Schweiz) sehr ähnlichen Konzepten, sie haben dieselben Wurzeln, aber die Unterschiede können gleichwohl eklatant sein. Es ist also gerade nicht egal, ob und für welches Recht ich mich in meinem Testament entscheide: Formvorschriften sind oft sehr unterschiedlich (man will ja ein gültiges Testament), die Erbquoten bei der gesetzlichen Erbfolge und damit auch bei den Pflichtteilen sind nicht identisch und auch die Vorschriften zum ehelichen Güterrecht sind nicht gleich. Das Schweizer Recht stellt etwa den Ehegatten erbrechtlich oft besser als das österreichische Recht. Das ungarische Recht hat interessante Sonderregelungen bei der Nutzung der gemeinsamen Immobilie durch den hinterbliebenen Lebenspartner. Selbstredend sind auch die Voraussetzungen für eine Enterbung oder die Erbunwürdigkeit anders. Ganz wichtig sind dann die unterschiedlichen Fristen in den jeweiligen Ländern für die Erbausschlagung. Der Erbe haftet auch für die Nachlassverbindlichkeiten, d.h. für die Schulden des Erblassers. Wer daher das Erbe wirksam ausschlagen will, hat das vor Ablauf der Fristen zu tun und da gibt einem das ungarische Recht schlicht mehr Zeit.

Typische Fehler

Mit der „richtigen“ Rechtswahl im Testament allein ist dann aber noch nicht alles getan. Abhängig vom gewählten Recht müssen nämlich auch die getroffenen Verfügungen selbst 1. juristisch und vor allem auch 2. praktisch umsetzbar sein. Um diese beiden Themen am Beispiel „Erbschaft einer Immobilie“ einmal zu veranschaulichen. 1. Juristisch: Eine vor Jahren erworbene Immobilie, die aber als landwirtschaftliche Nutzfläche im Grundbuch eingetragen ist (diese Qualifikation im Grundbuch ist nie bemerkt worden und hat auch nie gestört), soll an eine ausländische juristische Person oder Stiftung vererbt werden. Problematisch, denn hier könnte der ungarische Staat eingreifen und die Immobilie an sich ziehen. 2. Praktische Probleme: Häufig auch der Fall, dass im Testament etwa schlicht geschrieben wird, „die Wohnung in Ungarn bekommt meine Lieblingsenkelin …“. Bei einem Nachlassverfahren in Deutschland stellt das Nachlassgericht beim Amtsgericht hier ein Europäisches Nachlasszeugnis aus, dass nur die Erbquote nennt, aber nie die Immobilie selbst. Allein aufgrund eines solchen Zeugnisses trägt aber das ungarische Grundbuchamt die Eigentümerstellung der Erben nicht ein. Anders in der Schweiz. Hier lassen sich die zuständigen Nachlassbehörden oft davon überzeugen, in den Erbschein das ungarische Grundstück ausdrücklich detailliert aufzunehmen. Aber auch im letzten Schweizer Fall muss man Überzeugungsarbeit leisten, also den Berg hochkämpfen.

Nehmen Sie sich Zeit!

Testamentsgestaltung, das sehen wir, ist schwierig und braucht vor allem Zeit. Schlimm sind die Fälle, wenn Testamente auf den „letzten Drücker“ gemacht werden, wenn eine dem Erblasser in seinen letzten Stunden nahestehende Person diesen zu einem Testament zu ihren Gunsten drängt oder „in letzter Minute“ noch Rechtsgeschäfte (wie Grundstücksverkäufe) getätigt werden. Bewegliches Vermögen wird bei „Nottestamenten“ oft vergessen, und auch ein bestimmter Nachlassgegenstand kann dann nicht mehr einer besonders geliebten Person zugewandt werden. Bitter, wertvolle Gegenstände sind nach dem Todesfall plötzlich einfach verschwunden. Bei einem komplexen Nachlass, das heißt sehr großes Vermögen, sehr unterschiedliche Nachlassgegenstände (außer Konten und Immobilien auch Beteiligungen, Aktien und Fonds, geistiges Eigentum und ähnliches) und bei Vermögen in verschiedenen Ländern braucht es also schon sehr viel Vorlauf und professionelle Beratung. Da macht es keinen Sinn, sich ein so genanntes „Mustertestament“ aus dem Internet zu ziehen und damit sein ganzes – lebenslang aufgebautes – Vermögen bzw. seinen Nachlass in Eigenregie regeln zu wollen. Hand aufs Herz, würden Sie ein Zahnarztvideo auf YouTube ansehen und mit diesem Wissen dann sich selbst oder ihren Angehörigen einen Zahn ziehen? Nein, sicher nicht. Testamente müssen durchdacht und professionell ausgearbeitet werden, und dann hinterlegt man diese am besten bei regulierten öffentlichen Körperschaften, in Ungarn bei der Rechtsanwaltskammer bzw. Notarkammer. Erst dann lässt sich einigermaßen gut schlafen.

INFORMATIONEN:

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