Für anderthalb Milliarden Forint könnte das einst europaweit bekannte Fenékpusztaer Gestüt neu aufgebaut werden
Heute erinnert das einst berühmte Fenékpusztaer Gestüt der Familie Festetics in Keszthely eher an ein Elendsviertel, doch nach den Plänen der gemeinnützigen Gesellschaft Helikon Schlossmuseum kann das einstige Gestüt in altem Glanz wiedererstehen.
„Wenn wir nicht in der Nacht jede Stunde aufstehen und Scheite aufs Feuer legen, würden wir erfrieren“, erzählt László Orsós, wie das Leben heute in der einst europaweit bekannten Fenékpusztaer Meierei der Grafen Festetics ist, während er auf das auch in seinem Verfall noch an die alte Pracht erinnernde Schloss blickt. Der kalte Wind fegt durch die Häuser, nachts friert das Wasser auch im Wohnzimmer ein, wenn das Feuer erlischt.
„So sah Fenékpuszta 1886 aus“, sagt László Czoma, der Direktor der gemeinnützigen Gesellschaft Helikon Schlossmuseum, und deutet auf eine alte Fotografie.
László Orsós lebt mit Frau und fünf Kindern in Fenékpuszta, außer ihnen ist der verwaltungsmäßig zu Keszthely gehörende, doch von der Stadt rund zehn Kilometer entfernte, unter der Aufsicht der Gesellschaft stehende, einstige Festetics-Besitz die Heimstatt von weiteren 29 Familien. Von den in Fenékpuszta lebenden Familien gelangten die meisten noch vor der Wende zu einer billigen Bleibe, doch es gibt auch welche, die schon 30 Jahre hier leben. Keiner kann sich jedoch an die Glanzzeit von Fenékpuszta erinnern. An die Jahre Ende im 19. Jahrhundert, als sich Hunderte von preisgekrönten englischen Vollblutpferden, die für Turniere gezüchtet wurden, in den Ställen hinter dem Schloss reihten und auf den Weiden tummelten, als elegante Gespanne auf der Auffahrt standen, als eine Vielzahl von Knechten und Mägden für Ordnung auf dem Besitz sorgte, als die Besitzer berühmter Gestüte aus ganz Europa im Schloss bei der Familie Festetics zu Gast waren. Unter den Fenékpusztaern können sich nur noch wenige daran erinnern, wie nach dem 2. Weltkrieg der langsame Verfall der Meierei – die erst von der landwirtschaftlichen Genossenschaft, dann als Leinenfabrik genutzt wurde – einsetzte. Diesen Verfall erfahren allerdings die hier lebenden 100 Anwohner täglich und spüren am eigenen Leibe, dass die einst prächtige Wirtschaft heute eher einem Elendsviertel gleicht.
Man sieht die unter Denkmalschutz stehenden Gemäuer, von denen der Putz abbröckelt, die mit Brettern vernagelten Fenster des Schlosses, das morsche Dach und den von Dienstbotenhäusern umgebenen Fenékpusztaer Hauptplatz, auf dem aus Brettern gezimmerte Holzschuppen stehen, daneben Toiletten und Müllhaufen. Wasser können die 30 in der Meierei lebenden Familien nur aus dem Brunnen auf dem Hauptplatz holen, Gas-. und Abwasseranschlüsse gibt es nicht, nur Elektrizität ist vorhanden. Mehr als alles andere verrät über die hier herschenken Zustände, dass die Helikon Schlossmuseum Gesellschaft nur 600-900 Forint Miete pro Monat für die einstigen Dienstbotenwohnungen verlangt und auch die drei im Schloss wohnenden Familien zahlen nicht mehr als 3000 Forint.
Die Fenékpusztaer Meierei bietet heute einen bedrückenden Anblick. Laut László Czoma, dem Direktor der Helikon Schlossmuseum Gesellschaft, dauern die derzeitigen Verhältnisse allerdings nicht mehr lange an.
„1992 kauften wir die Meierei und die dazu gehörigen 50 Hektar Land vom Staat für 70 Millionen Forint. Seitdem möchten wir dem Verfall Einhalt gebieten, doch erst jetzt haben wir die Möglichkeit dazu. Wir hoffen, dass Fenékpuszta bis zum Jahr 2010 erneut im alten Glanz ersteht.“
Von dem Direktor erfuhren wir, dass der Grund für die Verzögerung der Arbeiten vor allem war, dass in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten die Restaurierung des Keszthelyer Schlosses, die Schaffung neuer Ausstellungen und die Anlegung des Parks und seine gerade beginnende Erweiterung Vorrang hatten. László Czoma bedauert selbst, dass während in Keszthely durch Investitionen für insgesamt anderthalb Milliarden Forint große Erfolge erzielt wurden – jedes Jahr werden 200.000 Besucher gezählt, die Jahreseinnahmen des Museums erreichen 300 Millionen Forint -, sich der Zustand der Fenékpusztaer Meierei trotz der regelmäßigen substanzerhaltenden Arbeiten verschlechterte.
„Jetzt kann endlich die Rekonstruktion der Fenékpusztaer Meierei in Angriff genommen werden, da das Schlossmuseum vor kurzem 50.000 Euro erhielt, die wir für die Vorbereitung der Rekonstruktion der Meierei aufwenden können“, sagt László Czoma. Wir möchten von dieser Summe die Pläne anfertigen lassen, die für die Einreichung von Unions-Ausschreibungsbewerbungen unbedingt nötig sind.
Der Direktor ging auch darauf ein, dass im Falle einer erfolgreichen Bewerbung die erste und wichtigste Aufgabe die Regelung der Lage der in Fenékpuszta lebenden Familien ist. Wie er sagt, würde man ca. 60-70 Millionen Forint aufwenden, für die Bewohner zu sorgen und ihnen Tauschwohnungen zur Verfügung zu stellen, die in einem besseren Zustand als die derzeitigen Unterkünfte wären. Der Direktor fügt allerdings dazu, dass nur für die die Verantwortung übernommen werden kann, die schon in Fenékpuszta wohnten, als das Schlossmuseum in den Besitz der Gesellschaft gelangte. Den seitdem aufgenommenen Familien kann keine Wohnung zur Verfügung gestellt werden, wenn man auch versucht ihnen zu helfen.
Nach den Vorstellungen sollen bei den rund anderthalb Milliarden Forint kostenden – vor allem aus Unionsmitteln und nur zu einem geringen Teil aus Eigenmitteln gedeckten – Arbeiten das Schloss und die Ställe rekonstruiert werden, außerdem sollen neue Ställe gebaut werden, es werden Appartementhäuser, eine Reithalle und eine Rennbahn entstehen, außerdem sollen die einmaligen archäologischen Fundstätten der Umgebung freigelegt und für Besucher zugänglich gemacht werden. Nach den Hoffnungen von László Czoma kann die Fenékpusztaer Meierei aufbauend auf den Reittourismus rentabel wirtschaften. Eine wahre Attraktion verspricht dabei zu werden, dass man sich auch mit der „Bevölkerung“ der Ställe um die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands bemüht. Nach mehrjährigen Nachforschungen wurde ermittelt, dass die den Weltkrieg überlebenden Pferde des berühmten Festetics-Gestüts in die USA gelangten und es in einem bei New York liegenden Dorf noch immer Pferde gibt, deren Vorfahren aus Keszthely stammten, das heißt, dass die Fenékpusztaer Linie nicht ausgestorben ist. Deshalb besteht eine Chance, dass nach mehr als einem halben Jahrhundert erneut Festetics-Pferde nach Fenékpuszta kommen.