Naturisten bilden Interessenvertretung

„Im Naturisten-Tourismus liegen unausgeschöpfte Möglichkeiten“

Im Juli gründeten drei Organisationen ungarischer Naturisten in Balatonberény einen Interessenvertretungsverband. Ihr Ziel ist die Erhöhung der Akzeptanz des Naturisten–Tourismus in der Gesellschaft und die Belebung dieser Form des Tourismus.

„Im Naturisten-Tourismus liegen unausgeschöpfte Möglichkeiten, denn es gibt viel mehr Anhänger dieser Form des Badelebens, als man denken würde“, meint Tibor Balogh, der Vorsitzende des Berényer Freundeskreises der Naturisten, der über eine Mitgliedschaft von rund 160 Familien verfügt. Tibor Balogh war der Hauptorganisator der Initiative und wurde Vizevorsitzender der jetzt gegründeten Interessenvertretung NAMASZ, die Abkürzung der ungarischen Bezeichnung des Ungarischen Naturistenverbandes. Gründungsmitglieder des neuen Verbandes sind die drei wichtigsten Naturistenvereine in Ungarn, die in Zukunft den Anschluss aller ähnlichen Organisationen erwarten, nach Schätzungen gibt es heute ca. 15.000 Ungarn, die sich in irgendeiner Form zu den Naturisten bekennen.

Die Hauptaufgabe des NAMASZ ist die Interessenvertretung der Naturisten, die Legalisierung der vorhandenen FKK-Strände, die Eröffnung neuer Strände sowie die Schaffung eines fehlenden Marketings zur Belebung des Naturisten-Tourismus. Laut Tibor Balogh ist es an der Zeit zu erreichen, dass die Behörden nicht mehr die Nacktbader bestrafen und dass mit der negativen gesellschaftlichen Bewertung aufgeräumt wird, dass der Naturismus eine Art Perversion sei, sondern vielmehr die Hinwendung zur Natur und deren unbefangener Ausdruck. Während der Naturismus in den westlichen Ländern, vor allem in Kanada, in den Vereinigten Staaten, in Frankreich und Deutschland, eine große Tradition hat und dieser Lebensform in Lagern gefrönt werden kann, versucht man die Erscheinung in Ungarn verschämt abzutun, die dennoch immer populärer wird – fügte er hinzu.

Bei uns ist Délegyháza als der Ursprung des Naturismus anzusehen, denn hier konnten die Liebhaber dieser Form der Naturnähe seit Mitte der 70er Jahre unbekleidet Sonne und Baden genießen. Auch Balatonberény stand mit an der Spitze, den Naturismus zu popularisieren, wo 1986 der erste Naturisten-Campingplatz und Strand angelegt wurde, der mit einer Fläche von 5,5 Hektarn auch heute noch die zweitgrößte derartige Anlage in Ungarn ist. Der Bürgermeister der Gemeinde János Gazda erinnert sich noch heute an die Anfangsschwierigkeiten. Wie er erzählt, sammelte die Bevölkerung unter Leitung des damaligen Pfarrers gegen die von den Ortsbewohnern als sündig titulierte Anlage Unterschriften. Die Wortführer der Gegner verschreckten das Volk, indem sie behaupteten, dass das als katholische Gemeinde bekannte Balatonberény von da an als Dorf der Nackten in Verruf kommt, wo die splitternackten Massen auf der Straße spazieren und im Laden einkaufen.

Die Ortsansässigen fanden sich mit der Zeit mit dem Campingplatz ab, der bis auf den heutigen Tag eine Haupteinnahmequelle der Selbstverwaltung ist und jährlich 20 bis 22 Millionen Forint einbringt. Nach dem Bericht von Takácsné Vörös Anikó, der Leiterin des über 600 Plätze verfügenden Naturistencampings, stieg seine Beliebtheit bis zum Jahr 2000 stetig an, dann wirkte sich der zurückgehende Touristenverkehr auch auf diese Anlage aus, doch längst nicht so stark, wie bei anderen Fremdenverkehrsunternehmen. In der Hauptsaison halten sich heute ca. 300-500 Gäste auf dem Campingplatz auf, die Hälfte sind Ungarn, die anderen kommen vor allem aus Deutschland, Holland und Österreich.

In Ungarn gibt es heute außer in Délegyháza und Balatonberény bei dem Szegeder Sziksóstó und in Balatonakali größere Naturistenbäder und Campingplätze, doch auch darüber hinaus gibt es offizielle und inoffizielle Bade- und Sonnenstellen. Die illegalen FKK-Anhänger riskieren ein Bußgeld wegen einer begangenen Ordnungswidrigkeit und verursachen mit ihrer „Ignoranz” mehr oder weniger Empörung in den Kreisen der Naturisten-Gegner.

Laut Tibor Balogh ist der Naturismus eine Lebensform, der allem offen gegenüberstehende Menschen anzieht und unabhängig von ihrem gesellschaftlichen Status zusammenbringt. Doch auch an Naturisten-Stränden und Campingplätzen gibt es geschriebene und ungeschriebene Regeln. Wegen der Nacktheit spielt die Sauberkeit einen größere Rolle und das bezieht sich auch auf die bekleidet zu nutzenden Orte, die man nur als „Textil” bezeichnet. Das Fotografieren, das Beobachten ist verboten und es ist Pflicht, missverständliche, andere belästigende Situationen und Verhaltensweisen zu vermeiden. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit wird von jedem Ankömmling erwartet, dass er auch sein letztes Kleidungsstück ablegt oder sich wieder entfernt. Die Urlauber auf den FKK-Campingplätzen sind wiederkehrende Gäste, die sich duzen, auch wenn sie sich nicht kennen, und gern an gemeinsamen Programmen, wie zum Beispiel Schiffstouren oder Sportveranstaltungen, teilnehmen. Es gibt gute Programme, doch die meisten Naturisten wissen nichts davon, und was ein noch größerer Mangel ist, die gleichgesinnten Ausländer erfahren auch nichts von dem Aufschwung des Naturistenlebens in Ungarn und seinen Möglichkeiten. Das möchte der NAMASZ jetzt ändern. Laut Plan werden die am Naturisten-Tourismus interessierten Selbstverwaltungen und Unternehmen mit einem eigenen Stand an der Reisemesse „Utazás 2007” teilnehmen. Als Landesverband kann man sich auch leichter um Fördermittel bewerben und die Verbindung zu der Internationalen Naturisten-Föderation, der INF, aufnehmen, deren Mitglied man so bald wie möglich werden möchte. Damit würden die ungarischen Naturisten und ihre Plätze Anteil an dem internationalen Austausch haben, größere Bekanntheit erlangen und die Mitglieder ähnliche Anlagen zu erheblichen Vergünstigungen weltweit besuchen können.