Die Hälfte der Gesellschaft in Ungarn sind als Verlierer der Wende zu betrachten, sagte die angesehene Soziologin Zsuzsa Ferge auf einer gemeinsamen Konferenz der Stiftung für Politikgeschichte und der Budapester Universität Eötvos Lorand. Die Leiterin des Programms der ungarischen Wissenschaftsakademie gegen die Kinderarmut sagte, nach 1989 sei die Achtung gegenüber der Arbeit als Beschäftigung zur Sicherung der Existenz radikal gesunken und auch die Existenzsicherheit gebe es im Wesentlichen nicht mehr.
Auf der Basis einer Untersuchung des Meinungsforschungsinstituts Tarki von 1995 und einer weiteren von 1992 bis 2007 sagte die Soziologin, durch den Systemwechsel hätten zwei Mal so viele verloren wie gewonnen. „Im Vergleich zum Zeitraum vor dem Systemwechsel ist der Anteil der Gewinner mit 25 Prozent anzusetzen, und der Anteil derer, die verloren haben mit 45 bis 50 Prozent. Letztere seien von Schwächung der Arbeitssicherheit und der Arbeitsrechte sowie der Einkommensverhältnisse auch persönlich betroffen.
Unumstritten sei allerdings, dass es heute Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gibt, die vor 1989 gefehlt hätten. Bei einer Bilanzierung sei es wichtig, auch die gesellschaftliche Ungleichheit zu berücksichtigen, die im Wesentlichen im vorherigen System nicht existierte. Heute jedoch täten sich Abgründe zwischen den einzelnen Schichten auf.