Erster öffentlicher Prozess zur Krawallnacht von Stuttgart

Plündereien, Gewalt und Chaos – Randalierer und Krawallmacher heben den Stuttgarter Alltag in einer Juni-Nacht aus den Angeln. Die Politik kommt in Erklärungsnot, nun ist die Justiz am Zug. Erstmals steht einer der mutmaßlichen Randalierer öffentlich vor Gericht.

Vor fast fünf Monaten erschüttern nächtliche Krawalle nicht nur die Stuttgarter Innenstadt, sie bringen auch das Sicherheitsempfinden der Menschen in der Metropole ins Wanken, Politiker geraten in Erklärungsnot, es wird über Migranten und die Gewalt unter Jugendlichen gestritten.

Nach ersten Verhandlungen hinter verschlossenen Türen steht nun erstmals ein mutmaßlicher Beteiligter der Randale öffentlich vor Gericht. Ein 18-Jähriger muss sch vor dem Stuttgarter Jugendschöffengericht verantworten. Er soll mit einem massiven Teelicht die Heckscheibe eines Polizeiautos eingeschlagen haben, auch zwei Seitenscheiben habe er zertrümmert, sagte eine Sprecherin des Amtsgerichts. «Er weiß, es war eine große Dummheit», sagte sein Verteidiger. Mit einem Urteil wird noch am Dienstagvormittag gerechnet.

Der Schaden ist vergleichsweise gering, das Interesse an dem Fall ist dagegen gewaltig und die Folgen könnten vor allem für den jungen Angeklagten gravierend sein. Dem Auszubildenden wird ein besonders schwerer Fall von Landfriedensbruch zur Last gelegt. Im Erwachsenenstrafrecht droht bei einem Urteil eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Das letzte Wort hat hier der Jugendrichter: Bei einem Jugendschöffengericht entscheidet er bei Angeklagten, die zur Tatzeit zwischen 18 und 21 Jahren alt waren, ob Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht angewandt wird.

Bei den Krawallen im Juni hatten sich Dutzende vor allem junge Männer in der Stuttgarter Innenstadt Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Es wurden mehrere Beamte verletzt und Schaufenster zerstört. Die Randale hatte weit über Stuttgart hinaus für Schlagzeilen und hitzige Debatten gesorgt. Als Folge vereinbarten Stadt und Land, vor allem in der Prävention und Überwachung enger zusammenzuarbeiten.

Die Polizei hat nach Angaben des Innenministeriums bislang 106 Tatverdächtige ermittelt. Davon sollen sich 100 unmittelbar an den Ausschreitungen beteiligt haben, sie sollen unter anderem Flaschen auf Einsatzkräfte geworfen, Schaufenster zertrümmert und Geschäfte geplündert haben. Sechs weiteren wird vorgeworfen, geplünderte Gegenstände besessen oder zum Kauf angeboten zu haben. Gegen rund zwei Drittel der Tatverdächtigen seien Haftbefehle erwirkt, 19 dieser meist jungen Männer sitzen derzeit laut Ministerium in Untersuchungshaft. «Die Stuttgarter Krawallnacht ist für die Menschen in der Stadt noch nicht abgehakt, und für die Ermittlungsbehörden schon gar nicht», betonte Thomas Strobl (CDU) im dpa-Gespräch vor Beginn des Prozesses.

Der 18-Jährige, auf den nun die Augen zahlreicher Journalisten und die Aufmerksamkeit sogar des Innenministers gerichtet sind, ist nicht der erste Angeklagte nach der nächtlichen Randale. Bereits Mitte Oktober stand ein damals 16-Jähriger aus Stuttgart vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts. Allerdings fand die Verhandlung wegen seines jugendlichen Alters unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt; auch hielt sich das Gericht mit Details zum Angeklagten und seinen Taten zurück.

Der Vorwurf gegen ihn: Unterschlagung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte – und Besitz kinderpornografischer Schriften. Denn bei der Auswertung des Mobiltelefons des 16-Jährigen waren die Polizisten auf entsprechende Fotos und Videos gestoßen. Das Urteil: ein Jahr Jugendstrafe, zur Bewährung ausgesetzt.

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