Die personellen Turbulenzen in der Machtzentrale des britischen Premiers Boris Johnson haben sich weiter verstärkt.
Laut Medienberichten wird auch der einflussreiche Regierungsberater Dominic Cummings sein Amt noch in diesem Jahr niederlegen. Nach Informationen der BBC aus ranghohen Regierungskreisen soll Cummings noch vor Weihnachten «die Regierung verlassen», wie der Sender in der Nacht zum Freitag berichtete.
Cummings selbst bestätigte seinen Rückzug aus der Downing Street zunächst nur indirekt. «Die Gerüchte, dass ich gedroht habe zu kündigen, sind erfunden», sagte der 48-Jährige der BBC – verwies aber zugleich auf einen seiner früheren Blogbeiträge: Seine im Januar auf dem Blog erklärte Position habe sich nicht geändert, sagte er dem Sender. In dem Beitrag hatte Cummings geschrieben, er hoffe, sich bis Ende 2020 «weitgehend überflüssig» zu machen.
Die Downing Street wollte am Freitag zunächst weder kommentieren noch bestätigen, ob Cummings bereits seine Kündigung eingereicht habe. Ein Regierungssprecher erklärte, die Position der Regierung im Blick auf die Brexit-Handelspakt-Gespräche mit der EU sei unverändert. Beobachter hatten zuvor gemutmaßt, mit dem Abgang des überzeugten Brexiteers Cummings könnte Downing Street kompromissbereiter gegenüber der EU werden.
Hinter den Kulissen der Londoner Regierungszentrale soll in den vergangenen Tagen ein erbitterter Machtkampf zwischen verschiedenen Lagern getobt haben. Cummings gilt als mächtiger Strippenzieher im Regierungssitz, der den EU-Austritt Großbritanniens für eine historische Errungenschaft hält und seit geraumer Zeit den Ton in der Downing Street angibt. Am Mittwochabend hatte der Cummings-Vertraute Lee Cain gekündigt, nachdem eine diskutierte Beförderung auf heftigen Gegenwind gestoßen war. Danach begannen die Spekulationen, dass weitere Berater folgen würden.
Cain und Cummings sind Weggefährten Johnsons aus dem Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum im Jahr 2016, bei dem die Briten knapp für einen Austritt aus der EU gestimmt hatten. Während des ersten Corona-Lockdowns im Frühjahr, als alle sich zuhause isolieren sollten, hatte Cummings mit einem privaten Trip durchs Land für Schlagzeilen gesorgt.
«Beraters kommen und gehen», sagte Verkehrsminister Grant Shapps am Freitag im «Sky-News»-Interview. «Er wird vermisst werden, aber wir kommen auch in eine andere Phase.» Mehrere Abgeordnete der konservativen Tory-Partei, der Johnson vorsteht, begrüßten die Neuigkeiten und bezeichneten sie als Chance für einen Neustart. Der Parlamentarier Bernard Jenkin sprach von einer Möglichkeit, «Respekt, Integrität und Vertrauen» zwischen der Regierung und der Fraktion wiederherzustellen, die in den vergangenen Monaten gefehlt hätten.
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