Airlines setzen auf Tests und Impfstoff

Kurz vor Einführung des Corona-Impfstoffes drängen die Airlines auf Öffnung der Ländergrenzen. An die Stelle von Quarantäne-Vorschriften müssten Schnelltests treten, wenn die Industrie überleben soll.

Mit millionenfachen Passagier-Tests und der schnellen Verbreitung geeigneter Impfstoffe will sich die internationale Airline-Branche aus der Corona-Misere befreien.

Bis zum Wendepunkt müssten die Unternehmen aber noch beispiellose Verluste hinnehmen, warnte der Weltluftfahrtverband IATA bei seiner Jahressitzung im Internet. «Wir dürfen keine Zeit verlieren», erklärte IATA-Chef Alexandre de Juniac, der am Vortag seinen Rücktritt angekündigt hatte.

Zu seinem Nachfolger wurde zum 1. April 2021 der frühere Chef der British Airways-Mutter IAG, Willie Walsh, gewählt.

Nach Einschätzung des Verbands drohen den Fluggesellschaften in diesem und im kommenden Jahr noch höhere Verluste als zuletzt befürchtet. Im laufenden Jahr werde branchenweit ein Rekordverlust von 118,5 Milliarden US-Dollar (99,9 Mrd Euro) und damit rund 34 Milliarden mehr als bisher gedacht auflaufen, berichtete IATA-Chefökonom Brian Pearce.

Es sei kein Grund zum Feiern, dass 2021 die Verluste auf 38,7 Milliarden Dollar zurückgehen könnten, meinte Juniac. «Wir brauchen die sichere Wiedereröffnung der Grenzen ohne Quarantäne-Vorschriften, so dass die Leute wieder fliegen.»

Der IATA-Generaldirektor setzte sich erneut für die schnelle Einführung einer globalen Teststrategie ein. «Wir können nicht auf den Impfstoff warten.» Die Schnelltests seien ausreichend sicher und müssten so schnell wie möglich eingesetzt werden, verlangte die IATA auch in einer Resolution.

Zwar dürfte der globale Umsatz im kommenden Jahr mit 459 Milliarden Dollar die jetzt für 2020 erwarteten 328 Milliarden Dollar deutlich übertreffen. Das wäre allerdings immer noch nur gut halb so viel wie die 838 Milliarden Dollar aus dem Vorkrisenjahr 2019. Der Verband hofft, dass Corona-Schnelltests für Reisende und Impfstoffe gegen das Virus bis Mitte 2021 zumindest teilweise zu Öffnung der Grenzen und anschließend zu einer Erholung der Passagiernachfrage führen.

Ohne die massiven Staatshilfen rund um den Globus von zusammen 173 Milliarden Dollar hätte es bereits zahlreiche Pleiten gegeben, erklärte Juniac. Das werde möglicherweise nicht ausreichen, sagte der Lufthansa-Chef und IATA-Aufsichtsratschef Carsten Spohr. Ökonom Pearce warnte vor der beispiellosen Verschuldung und fehlenden Finanzkraft der Airlines.

Der Verband rechnet damit, dass erst im Schlussquartal 2021 die Gesellschaften im Schnitt keine Barmittel mehr verlieren. Am schnellsten verlaufe die Erholung in der Region Asien-Pazifik vor den USA und Europa. Entscheidenden Einfluss werde die Verbreitung des Corona-Impfstoffes haben, die in den entwickelten Märkten schneller verlaufen werde als in Schwellenländern.

Für den europäischen Markt erwartet IATA in diesem Jahr 26,9 Milliarden Dollar Verlust und im kommenden Jahr 11,9 Milliarden. Die Krise dürfte vielen Euro-Fluggesellschaften noch länger zu schaffen machen als Konkurrenten in anderen Regionen der Welt, weil sie im höheren Maße vom Auslandsgeschäft abhängig seien.

Die Nachfrage werde sich 2021 zwar um fast 50 Prozent steigern, aber damit immer noch 56 Prozent unter dem Vorkrisenniveau befinden. Eine Rückkehr zum Vorkrisen-Niveau werde es nicht vor 2024 geben.

Uneinigkeit herrscht in der Frage der Impfnachweise. Der Chef der australischen Qantas, Alan Joyce, war mit der Aussage vorgeprescht, seine Gesellschaft werde auf internationalen Flügen ausschließlich geimpfte Flugreisende befördern und vorab entsprechende Nachweise verlangen. Von einer in Europa mindestens umstrittenen Impfpflicht will man hingegen im Lufthansa-Konzern nichts hören. Man verweist auf die Zuständigkeit der nationalen Regierungen, die sich im deutschen Fall bislang gegen eine Impfpflicht gestellt hat.

Auch auf nationaler Ebene schrillen die Alarmglocken. Während die Bund-Länder-Gespräche zu Finanzspritzen für die Flughäfen noch laufen, fürchten die privaten Bodenverkehrsdienstleister, hinten runterzufallen. «Ein großer Teil der rund 10 000 Arbeitsplätze ist in Gefahr, sollte es keine Zusagen für Sofortmaßnahmen seitens des Bundes und der Länder geben», mahnte der Vorsitzende des Fachverbands ABL, Thomas Richter. Um bei wieder steigendem Flugbetrieb voll einsatzfähig zu sein, fielen auch hier hohe Vorhaltekosten an, etwa für Ausrüstung, Mieten und Versicherungen.

Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie erlebt nach Jahren des Wachstums einen heftigen Rückschlag. Der Fachverband BDLI geht von einem Umsatzrückgang von 40 Prozent im laufenden Jahr und weiteren Einbußen in 2021 aus. Zwar seien die Auftragsbücher noch gut gefüllt, doch den Fluggesellschaften fehle das Geld. «Das Interesse, Flugzeuge abzunehmen, ist extrem gering», sagte BDLI-Präsident Dirk Hoke. Chancen böten Investitionen in klimafreundliche Technologien. Europa könne eine Schlüsselrolle auf dem Weg zum klimaneutralen Fliegen übernehmen.

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