UN-Sicherheitsrat will über Konflikt in Äthiopien beraten

Äthiopische Truppen marschieren auf die Hauptstadt der Region Tigray zu. Internationale Akteure befürchten dort ein Blutbad – und rufen die Konfliktparteien erneut auf, die Waffen niederzulegen. Auch der UN-Sicherheitsrat will sich nun einschalten.

Angesichts einer immer größeren Zahl an Geflüchteten und akuter Warnungen vor einer humanitären Katastrophe steigt der internationale Druck auf die Parteien in Äthiopien, die Kämpfe in der Region Tigray einzustellen.

Der UN-Sicherheitsrat wollte sich an diesem Dienstag erstmals mit dem Konflikt beschäftigen. Das Gremium trifft sich zur Beratung hinter geschlossenen Türen, wie die Deutsche Presse-Agentur am Montagabend (Ortszeit) aus Diplomatenkreisen erfuhr.

Ein Beschluss wird nicht erwartet. Vor dem drohenden Kampf um Tigrays Haupstadt Mekelle rief die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, die Konfliktparteien zum Schutz der Zivilbevölkerung auf.

Äthiopiens Regierung hatte vor drei Wochen eine Offensive gegen die Volksbefreiungsfront von Tigray (TPLF) gestartet, die in der nördlichen Region Tigray an der Macht ist. Regierungschef Abiy Ahmed nennt dies einen Einsatz zur «Rechtsdurchsetzung», die TPLF dagegen einen Angriff auf die Menschen von Tigray. Derzeit rückt Äthiopiens Armee auf Mekelle zu. Ahmed stellte den Kräften und Milizen in Tigray am Sonntagabend ein 72-stündiges Ultimatum zur Kapitulation.

Die aggressive Rhetorik auf beiden Seiten zum Kampf um Mekelle sei «gefährlich provokativ» und setze die Zivilisten großen Gefahren aus, sagte Bachelet. Mit Blick auf Vorwürfe gegen die TPLF, sie würde sich inmitten von Zivilisten verschanzen, ermahnte sie beide Seiten, internationales Recht zu respektieren und Zivilisten zu schützen.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) forderte angesichts des Ultimatums an die TPLF einen sofortigen Waffenstillstand. «Eine gewaltsame Besetzung der Stadt durch Äthiopiens Armee käme einer vom humanitären Völkerrecht verbotenen kollektiven Bestrafung der Zivilbevölkerung gleich; auch Tigrays Regionalregierung begeht Kriegsverbrechen, wenn sie die Zivilbevölkerung am Verlassen der belagerten Stadt hindert», erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius.

Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge trieb der Konflikt bereits mehr als 40.000 Menschen zur Flucht in das Nachbarland Sudan. Diese Zahl könne demnach schnell steigen. Das UN-Welternährungsprogramm (WFP) sprach von einer sich rapide verschlechternden humanitären Situation und transportierte vorsorglich Nahrungsmittel, die für 60.000 Menschen einen Monat lang reichen, zur Grenze.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherte am Montag dem sudanesischen Premier Abdullah Hamduk Unterstützung für die Flüchtlinge aus Äthiopien zu. Konkrete Angaben zur Dimension der Hilfe machte sie nicht. Wie die Bundesregierung mitteilte, waren sich beide darin einig, dass Wege für eine nichtmilitärische Lösung des Konflikts gefunden werden müssten.

Derweil äußerte sich die staatliche Ethiopian Human Rights Commission (EHRC) zu einem Massaker in einem Ort in Tigray am 9. November. Vorläufige Untersuchungen hätten ergeben, dass sich es sich bei den Taten um «Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen» handeln könnte. Sie machte Tigray-Milizen dafür verantwortlich. Zuvor hatte Amnesty International bereits mitgeteilt, dass bei dem Massaker wahrscheinlich Hunderte getötet worden seien.

Hintergrund des Konflikts sind immer größere Spannungen zwischen Tigray und der Zentralregierung. Die Volksbefreiungsfront TPLF dominierte Äthiopien mehr als 25 Jahre lang, bis der amtierende Regierungschef Abiy Ahmed 2018 an die Macht kam und etliche führende Funktionäre der TPLF hinausdrängte. Viele Menschen in Tigray fühlen sich von der Zentralregierung nicht vertreten und wünschen sich größere Autonomie.

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