Nach der verheerenden Umweltkatastrophe der zurückliegenden Woche ist die Gefahr in Ungarn nicht gebannt. Experten befürchten eine neue Flut stark ätzenden Schlamms aus den Speicherbecken des Aluminiumwerkes von Ajka (Komitat Veszprém). Messungen und Tests zeigten ein reales Risiko, dass die Mauer des Speichers einstürzt und eine halbe Million Kubikmeter Schlamm sich in die Umgebung ergießen.
Die beschädigte Mauer des Schlammbeckens von Ajka werde mit aller Wahrscheinlichkeit zusammenbrechen, sagte Ministerpräsident Viktor Orbán am Samstag auf einer Pressekonferenz in der Feuerwehrzentrale von Ajka. Man sei aber auf die Abwehr des Unglücks entsprechend vorbereitet, der Krisenplan sei fertig und jedermann in Sicherheit. Die 6000 Einwohner von Devecser könnten im Fall eines neuen Dammbruchs geschützt werden.
In Budapest erklärte Orbán, die Verantwortlichkeit und die zugemessene Strafe müssten bei der Katastrophe im Verhältnis zum angerichteten Schaden und den vernichteten Werten stehen. Es habe riesige Schäden gegeben, Menschen seien getötet worden und die Lebensmöglichkeiten einer Region verloren gegangen. „Dafür muss sich jemand verantworten“, betonte der Regierungschef.
Vergangenen Montag hatte eine Million Kubikmeter der roten Brühe die Kleinstadt Devecser sowie die Dörfer Kolontár und Somlóvásárhely überschwemmt. Kolontár wurde nach Angaben des Sprechers des Katastrophenschutzes vor Ort, Tibor Dobson, am Samstag vorsorglich evakuiert. Viele Einwohner kamen bei Verwandten unter, etwa 40 Menschen übernachteten in einer Sporthalle in Ajka. Auch für Devecser wurde die Evakuierung vorbereitet, sagte Dobson. Vorläufig sollten die Bewohner noch dort bleiben, jedoch für die Notfall die wichtigsten Sachen packen. Győr bereitet sich inzwischen darauf vor, die Menschen aus Devecser im Ernstfall aufzunehmen.
Ein Verbindungsoffizier des EU-Katastrophenschutzes traf inzwischen in Ungarn ein. Aufgabe des Mitarbeiters des Beobachtungs- und Informationszentrum (MIC) bei der EU wird es sein, die Ankunft einer fünfköpfigen Expertengruppe der Union im Katastrophengebiet vorzubereiten. Die über internationale Erfahrungen verfügende Gruppe wird im Zusammenwirken mit den ungarischen Behörden Vorschläge zur Bilanzierung der negativen Auswirkungen des roten Schlamms auf die Umwelt und zur Beseitigung der Schäden unterbreiten.