Den Ärger über die Art und Weise der bitteren Pleite von Berlin konnten die BVB-Chefs von Sportdirektor Michael Zorc bis zu Trainer Edin Terzic noch lange nach dem Abpfiff nicht abschütteln.
Mehrmals und ausführlich hatten sie ihre Profis vor der besonderen Stärke des 1. FC Union gewarnt – und dann kassierten die Borussen genau so zwei Gegentreffer: Ecke, Kopfball, Tor. «Sie kommen mit Wucht und haben da ihre Qualität. Wir haben es am Morgen nochmal versucht, es allen in allen Kanälen einzuimpfen», berichtete Neu-Chefcoach Terzin. Sogar der 2:1-Siegtorschütze Marvin Friedrich wunderte sich: «Bei dem Eckball war ich erstaunlich frei.»
Nur ganz schnell weg, die erste Niederlage seit sechs Auswärtspflichtspielen schlug allen Dortmundern sicht- und hörbar aufs Gemüt. «Da steht der stärkste Kopfballspieler des Gegners völlig frei, das ist unverzeihbar. Wir hauen uns selber in die Pfanne», wetterte der einstige Fußball-Weltmeister Mats Hummels. Und Borussen-Torwart Roman Bürki bemerkte frustriert: «Wieder zwei Standardtore. Das ist enorm bitter, weil wir das angesprochen haben zuvor.» Erst köpfte Unions Liverpool-Leihgabe Taiwo Awoniyi (57.) nach Eckball von Kapitän Christopher Trimmel ein. Dann war Verteidiger Friedrich (78.) mit seinem vierten Saisontor erfolgreich.
Favre-Nachfolger Terzic machte beim 1:2 im wegen der Corona-Pandemie fanleeren Stadion An der Alten Försterei aber auch andere Defizite bei seinem Team aus. «Durch die Standards verlieren wir das Spiel. Aber es waren natürlich viele andere Dinge nicht gut. Wir haben viele Sachen nicht umgesetzt.» Dem Spiel der Gäste fehlten Tempo am Ball und in der eigenen Bewegung, Präzision und Mut.
Am ehesten zeigte diese Tugenden noch der Youngster Youssoufa Moukoko, der jetzt mit 16 Jahren und 28 Tagen jüngster Torschütze der Bundesliga-Geschichte ist. «Er hat viele Sachen gut gemacht. Es war klar sein bestes Spiel bei uns», erklärte Hummels zu seinem jungen Kollegen. Doch Moukokos zwischenzeitlicher Ausgleich (60.) war am Ende nur Randgeschehen. «Wir haben verloren», verwies Hummels auf das Entscheidende. Mit nur 22 Punkten sieht Dortmund das Spitzentrio Leverkusen, Bayern und Leipzig weiter davonrauschen.
«Willensleistung beschreibt es sehr gut», bemerkte Union-Coach Urs Fischer zum positiven Ausgang für seine Mannschaft: «Es war ein tolles Spiel und ein verdienter Sieg.» Die Konkurrenz reibt sich weiter verwundert die Augen über den Underdog aus Köpenick, der nach 13 Spieltagen nun schon 21 Punkte eingesammelt hat. Das sind gleich fünf mehr als in der Vorsaison als Aufsteiger zu dem Zeitpunkt.
«Man sieht, dass die Mannschaft Selbstvertrauen hat», sagte Fischer. Das habe gegen den BVB auch in den Phasen geholfen, «in der wir leiden mussten. Wir konnten uns trotzdem immer wieder befreien, waren mutig genug», ergänzte der Schweizer. Bereits in der Vorsaison hatte Union die Dortmunder mit 3:1 nach Hause geschickt. «Man hat schon gesehen, dass wir mithalten können. Es ist für mich immer noch ein Coup», sagte Fischer nach der neuerlichen Überraschung.
Vom Saisonziel Klassenerhalt aber will der Union-Coach weiter keinen Zentimeter abrücken. Auch wenn die Eisernen einen ihrer vielen Rekorde auf sechs Ligaspiele ohne Niederlage ausgebaut haben. «Das sind vier Punkte mehr, die uns helfen. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen», erklärte der 54-Jährige zu den erstaunlichen vier Zählern aus dem 1:1 gegen Meister Bayern und dem 2:1 gegen Vize Dortmund.
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