Drei Wochen vor NHL-Start: Draisaitl schreibt Geschichte

Nie zuvor war ein deutscher Eishockeyspieler zum «Sportler des Jahres» gewählt worden, bis Leon Draisaitl seine bislang stärkste Saison in der NHL spielte.

Leon Draisaitl weiß jetzt, wofür er trainiert. Fast zeitgleich zu seiner bemerkenswerten Kür zum «Sportler des Jahres» bestätigte die nordamerikanische Eishockey-Profiliga NHL, am 13. Januar in die Saison starten zu wollen.

In gut drei Wochen also kann der Ausnahmestürmer der Edmonton Oilers an seine goldene Saison anknüpfen. Wie seine Form nach der monatelangen Pause sei, da müsse man am besten seinen Hund fragen, scherzte der Topscorer und wertvollste Spieler der vergangenen NHL-Saison: «Ich fühle mich gut».

Der 25-Jährige, für den sein Hund Bowie in den vergangenen Monaten ein Trainingspartner in den eigenen vier Wänden geworden ist, war per Videoschalte aus Edmonton ins Kurhaus von Baden-Baden zugeschaltet worden. In dunkler Anzugjacke und weißem Hemd saß er da, lächelte glücklich, stolz, spitzbübisch – und bescheiden.

«Wir haben so viele geniale Sportler in Deutschland. Es ist etwas ganz Besonderes», sagte der Nationalstürmer. Mit klarem Abstand war die Wahl von 960 Sportjournalisten auf ihn gefallen. Am Ende eines Jahres, in dem aufgrund der Coronavirus-Krise die Olympischen Spiele auf 2021 verschoben wurden und viele andere Großereignisse ausgefallen waren. Am Ende eines Jahres, in dem Draisaitl gleich für mehrere Einträge in die deutsche Eishockey-Geschichte sorgte.

Als erster deutscher Profi hatte der Kölner die reguläre Saison in der weltbesten Eishockey-Liga als Topscorer abgeschlossen. Als erster Deutscher wurde er zum MVP, zum wertvollsten NHL-Spieler, gewählt. Neben den Fachjournalisten kürten ihn auch die NHL-Spieler zu ihrem besten der Liga. Als er damit konfrontiert wurde, doch der Beste der Welt zu sein, wehrte Draisaitl dies ausweichend ab.

Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) freute sich über seine Wahl zum «Sportler des Jahres» und den Auftritt im ZDF. «Es ist toll, dass Leons hervorragende Leistungen in der NHL den Schlusspunkt bekommen, den sie in diesem Jahr verdienen», würdigte Bundestrainer Toni Söderholm. DEB-Präsident Franz Reindl hob die «historische Dimension» hervor: «Leon hat Geschichte geschrieben, das macht uns stolz.»

2018 war das Eishockey-Nationalteam nach Olympia-Silber zur «Mannschaft des Jahres» geworden. Nie zuvor gewann seit 1947 ein Eishockeyspieler die Wahl zum «Sportler des Jahres». Ohnehin war diese Auszeichnung als Mannschaftssportler zuvor nur Basketball-Ikone Dirk Nowitzki vergönnt, als er 2011 mit den Dallas Mavericks die Meisterschaft gewonnen hatte. Kein Fußballstar ist je gekürt worden.

Draisaitl ist trotz seiner Ausnahmestellung in Nordamerika in Deutschland immer noch relativ unbekannt. Der Hype um ihn ist im Eishockey-Land Kanada deutlich größer. Das wirft auch die Frage auf, ob Draisaitl tatsächlich zum «Sportler des Jahres» gewählt worden wäre, wenn es Olympiasieger von Tokio zu feiern gegeben hätte? Hatte Draisaitl auch Glück, weil in diesem Jahr viele Konkurrenten eben nicht bei herausragenden Großereignissen für Furore sorgen konnten?

Draisaitl dürfte es egal sein, er will wieder in der Liga für Furore sorgen. Rund drei Monate später als normalerweise soll in einem veränderten Format nun die neue Saison beginnen, die kanadischen Teams sollen aufgrund der Reisebeschränkungen nur untereinander antreten. Die Hauptrunde wurde auf 56 Spieltage verkürzt. Draisaitls eigentliches Ziel sind die Playoffs und insbesondere der Gewinn des Stanley Cups. Sollte ihm dieser Titel tatsächlich einmal gelingen, hätte er vielleicht wieder die Chance, bei der Wahl zum «Sportler des Jahres» weit vorn zu landen.

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