Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rechnet damit, dass in den ersten Monaten des neuen Jahres durch die Zulassung weiterer Präparate und erweiterte Produktionskapazitäten deutlich mehr Corona-Impfstoff zur Verfügung stehen wird.
Kritik am Tempo und Vorschläge zur Beschleunigung der Impfproduktion aus reihen der Opposition wies der CDU-Politiker am Montag zurück. Die Zahl der mit oder am Coronavirus gestorbenen Menschen in Deutschland überstieg zum Wochenbeginn die Marke von 30.000.
Spahn verwies im ZDF-«Morgenmagazin» auf eine Produktionsanlage der Schweizer Pharmafirma Novartis in Marburg, die vom Mainzer Unternehmen Biontech übernommen wurde. «Ziel ist, noch im Februar/März dort auch Produktion möglich zu machen. Und das würde die Menge enorm erhöhen», sagte Spahn. Nach Angaben von Biontech sind in Marburg einige Umstellungen nötig, bevor es auch dort mit der Produktion des Covid-19-Impfstoffs losgehen kann.
Der Gesundheitsminister rechnet außerdem «in den ersten Januartagen» mit der Zulassung des Impfstoffs von US-Hersteller Moderna, wie er im Interview mit der «Bayern 2-radioWelt» des Bayerischen Rundfunks deutlich machte. Zwei bis drei weitere Kandidaten seien auf dem Weg in die Zulassung, fügte er hinzu und bekräftigte erneut das Ziel, bis zum Sommer jedem Bürger ein Impfangebot machen zu können. «Weihnachten nächstes Jahr soll wieder normal werden können.»
Für die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind dem Gesundheitsministerium zufolge insgesamt 136,3 Millionen Dosen sicher, die nahezu alle 2021 geliefert werden könnten. Mit je zwei nötigen Dosen ließen sich so rechnerisch 68,2 Millionen Bürger impfen – bei 83 Millionen Einwohnern in Deutschland.
Die Gesundheitsämter meldeten unterdessen binnen 24 Stunden 348 weitere Todesfälle – damit stieg die Zahl der mit oder am Coronavirus gestorbenen Menschen in Deutschland auf 30.126, wie das Robert Koch-Institut (RKI) am Montagmorgen bekannt gab. Darüber hinaus wurden 10.976 Corona-Neuinfektionen gemeldet.
Die Zahl der Neuinfizierten und der Opfer sind aber nur bedingt mit den Werten der Vorwoche vergleichbar, da das RKI während der Feiertage und zum Jahreswechsel hin mit einer geringeren Zahl an Tests und auch weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete. Vor genau einer Woche waren 16.643 Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet worden. Bei den Todesfällen war der Höchststand von 952 am 16. Dezember registriert worden.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach geht davon aus, dass die Zahl der Corona-Toten in Deutschland heute ohne die seit März ergriffenen Maßnahmen um ein Vielfaches höher wäre. Die Zahl lasse sich zwar schwer ermitteln, weil die Menschen sich aus Angst vor dem Virus stark zurückgezogen hätten, sagte Lauterbach der Deutschen Presse-Agentur. «Sicherlich wären aber bisher 250.000 Menschen in Deutschland gestorben und wir hätten noch immer keine vollständige Herdenimmunität», fügte er hinzu.
In der Debatte über das Tempo der Impfungen in Deutschland wies Spahn Kritik und Vorschläge zur Beschleunigung der Impfstoffproduktion durch Oppositionspolitiker zurück. FDP-Chef Christian Lindner hatte am Sonntagabend in einer «Bild»-Sendung gefordert, Deutschland müsse rechtlich, wirtschaftlich, politisch und technologisch alles tun, damit schneller geimpft werden könne. Lindner regte an, darüber nachzudenken, ob ein knapper Impfstoff wie der von Biontech nicht von anderen Herstellern in Lizenz produziert werden könnte.
Der Linken-Gesundheitspolitiker Achim Kessler hatte im «Spiegel» sogar gefordert, Impfstoff-Hersteller zu zwingen, anderen Unternehmen eine Lizenz zum Nachproduzieren zu gewähren. «Eine Produktion für einen Impfstoff ist hoch anspruchsvoll und hochkomplex, die kann man nicht mal eben per Lizenz bei einem anderen Unternehmen machen», sagte Spahn. Gerade auch für das Vertrauen in den Impfstoff ist es wichtig, dass alle Qualitätsanforderungen eingehalten würden.
© dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten.