Polinnen gehen weiter gegen Abtreibungsgesetz auf die Straße

«Ihr habt euch mit den Frauen angelegt»: In Warschau und anderen polnischen Städten gibt es erneut Proteste gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Ein Kritiker spricht von «Folter».

Den dritten Tag in Folge haben Menschen in mehreren polnischen Städten gegen eine Verschärfung des Abtreibungsrechts protestiert. Die Verschärfung gilt seit Mittwoch.

In Warschau blockierten mehrere Hundert Demonstranten einen zentralen Verkehrskreisel. Sie trugen Plakate mit den Aufschriften wie «Ihr habt Blut an den Händen» und «Es tut mir weh, dass Polen mich ans Kreuz hängt». Zudem skandierten sie in Sprechchören: «Ihr habt euch mit den Frauen angelegt!»

Die Polizei wies die Demonstranten auf die Corona-Schutzmaßnahmen hin und forderte sie auf auseinanderzugehen. Auch in Krakau, Danzig, Breslau (Wroclaw) und Kattowitz gab es Proteste. Am Montag soll es nach Angaben der Leiterin der Organisation «Allpolnischer Frauenstreik», Marta Lempart, mit den landesweiten Aktionen weitergehen.

Bei einer Demonstration am Donnerstagabend hatte die Polizei in Warschau nach eigenen Angaben 14 Menschen festgenommen. Drei der Demonstranten seien auf das Gelände des Verfassungsgerichts vorgedrungen, sagte ein Sprecher. Lempart zufolge befanden sich am Freitag fünf Demonstranten weiterhin in Polizeigewahrsam, darunter auch Klementyna Suchanow, die neben Lempart zu den wichtigsten Organisatorinnen der Proteste gehört.

Im Oktober hatte das Verfassungsgericht des EU-Landes entschieden, dass Frauen auch dann keine Abtreibung vornehmen dürfen, wenn das ungeborene Kind schwere Fehlbildungen aufweist. Die Entscheidung bedeutet eine Verschärfung des polnischen Abtreibungsrechts, das ohnehin zu den strengsten in Europa gehört. Bislang war ein Abbruch in Polen legal, wenn die Schwangerschaft das Leben oder die Gesundheit der Mutter gefährdet, Ergebnis einer Vergewaltigung ist oder wenn das Ungeborene schwere Fehlbildungen aufweist.

Letzteres war bislang der häufigste Grund für eine Abtreibung, wie eine Statistik des Gesundheitsministeriums zeigt. So wurden von den 1110 Abtreibungen, die 2019 in polnischen Kliniken vorgenommen wurden, 1074 mit Fehlbildungen des ungeborenen Kindes begründet. Bei 40 Prozent dieser Fälle spielte das Down-Syndrom bei der Indikation für den Abbruch eine Rolle.

Nachdem die Bekanntgabe des Urteils im Herbst großen gesellschaftlichen Widerstand ausgelöst hatte, war die richterliche Begründung erst mit monatelanger Verzögerung am Mittwoch im amtlichen Anzeiger veröffentlicht worden. Damit ist sie rechtskräftig.

Selbst im katholisch geprägten Polen ist die Entscheidung konträr zu dem, was laut Umfragen eine Mehrheit in der Bevölkerung für richtig hält. So fanden Meinungsforscher des Instituts Ibris 2019 heraus, dass 50 Prozent der Befragten das bisherige Abtreibungsrecht befürworteten, während sich 30 Prozent für eine liberalere Regelung aussprachen. Nur 15 Prozent wollten eine restriktivere Gesetzgebung. In anderen Umfragen sprachen sich sogar mehr als die Hälfte der Befragten dafür aus, eine Abtreibung auf Wunsch bis zur 12. Schwangerschaftswoche möglich zu machen.

Polens Menschenrechtsbeauftragter Adam Bodnar rügte, die jetzt veröffentlichte Begründung des Urteils zeige, dass der Staat und die Regierung die Frauen ihrer Selbstbestimmungsrechte beraubten und sie «wiederholt der Folter aussetzten».

Kritik kommt auch aus Deutschland. «Wir verurteilen die hochumstrittenen Versuche, fundamentale Rechte von Frauen einzuschränken», sagte Ulle Schauws, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Schon jetzt müssten viele ungewollt schwangere Frauen aus Polen für einen Schwangerschaftsabbruch ins Ausland reisen. Es sei zu befürchten, dass die Zahl illegaler Abbrüche steigen werde, die für Frauen gefährlich sein könnten.

Schauws forderte die Bundesregierung und die EU auf, den Druck auf die Regierung in Warschau zu erhöhen und auf die Einhaltung von Menschenrechten zu pochen.

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