Internet kann Kunstmessen nicht ersetzen

Auch die Kunstmessen haben ihr Geschäft während der Pandemie teilweise ins Internet verlegt. Doch ein Sammler, der tief in die Tasche greifen soll, will das Werk meist auch vor sich sehen.

Zehntausende Tulpen und andere Blumen begrüßen jedes Jahr Anfang März die Besucher der TEFAF in Maastricht.

Die riesigen Floristik-Arrangements, die jedes Jahr anders aussehen, sind ein Markenzeichen der Altmeister-Messe und lösen bei vielen Kunstinteressierten Frühlingsgefühle aus. Doch dieses Jahr wird die TEFAF auf Herbstgestecke umsteigen müssen – wegen Corona.

Die Messe in der niederländischen Stadt mit burgundischem Charme schob ihren Termin erst auf Ende Mai/Anfang Juni und dann noch weiter auf den 11. bis 19. September. Ähnlich die Art Basel, die als führende Messe für zeitgenössische Kunst gilt: Sie verlegte ihre für Juni geplante Ausgabe auf den 23. bis 26. September. Die größte deutsche Kunstmesse, die Art Cologne, fand zum letzten Mal im April 2019 statt – der neue Termin für dieses Jahr ist jetzt der 17. bis 21. November. Zwischen den beiden Ausgaben liegen also zweieinhalb Jahre. Eine enorm lange Zeit.

Die Veranstalter hoffen bis zum Herbst auf die Wirkung der Impfprogramme. Aus der Welt wird die Pandemie aber auch dann noch nicht sein. «Wir müssen dies realistisch betrachten», sagt TEFAF-Chef Hidde van Seggelen der Deutschen Presse-Agentur. «Ich gehe davon aus, dass viele Menschen im September 2021 einer Messeveranstaltung noch reserviert gegenüberstehen. Aber wenn wir mit Sorgfalt arbeiten und die Regeln eingehalten werden, dann ist diese Zurückhaltung zu überwinden.»

Als ermutigendes Zeichen wertet van Seggelen, dass es von Seiten der Galeristen genauso viele Bewerbungen für September gibt wie sonst. Die TEFAF fand im vergangenen Jahr in der ersten Märzhälfte noch gerade eben statt, allerdings vier Tage kürzer. Es war damals die Zeit, in der die einen noch Hände schüttelten und die anderen schon nur noch mit angewinkeltem Arm grüßten.

Alle großen Messe haben auf die Pandemie reagiert, indem sie Online-Ausgaben organisierten. In diesen «Online Viewing Rooms» wurde durchaus auch gekauft – aber lange nicht auf dem Niveau einer normalen Präsenzmesse. Die Kunden suchten vielfach den direkten Kontakt, sagte Art Basel-Chef Marc Spiegler. So sieht es auch van Seggelen: «Die Pandemie hat uns allen eine Zeit des Entzugs beschert. Uns fehlen die persönlichen Gespräche mit Kunstliebhabern, Sammlern, Mäzenen, Kuratoren, Museumsexperten und Kollegen.»

Die Online-Ausgaben sollen aber auch in Zukunft weitergeführt werden. «Die digitalen Medien werden auch für den Kunsthandel an Bedeutung gewinnen, vor allem für die jüngere Generation, die damit aufgewachsen ist», sagt van Seggelen. «Ich glaube, dass sowohl der traditionelle Kunsthandel mit Präsenz-Messen als auch der Online-Kunsthandel nebeneinander bestehen.»

Händler bestätigen das. Sammler wollten und müssten die Werke vor sich sehen, wenn sie dafür tief in die Tasche greifen sollten, lautet das Credo des österreichischen Galeristen Thaddaeus Ropac, der zu den großen Branchen-Playern zählt. Elena Soboleva, Online-Verkaufschefin des in Köln geborenen Galeristen David Zwirner mit Filialen in New York, London und Paris, bestätigt: Ja, das Internet sei ein interessanter Kanal, aber das klassische Geschäftsmodell der Galerien und Messen sei dadurch nicht gefährdet.

Möglicherweise bietet die Pandemie eine Chance für die Etablierung kleinerer Messen. So wurde in Frankreich im vergangenen Jahr die bedeutendste Messe FIAC abgesagt, doch die deutlich kleinere Art Paris fand im September unter verschärften Gesundheitsvorschriften im Grand Palais statt. Unter den gut 100 Händlern waren erstmals auch prestigeträchtige Stammgäste der FIAC, die rund vier Wochen später hätte eröffnen sollen.

Statt der damals erlaubten 5000 Besucher ließ Art Paris-Leiter Guillaume Piens sogar nur 3000 auf 13.500 Quadratmetern Fläche zu. Die Fachpresse wertete die Messe als unerwarteten Erfolg. Zwar stammten mehr Besucher denn je aus Frankreich, doch stieg die Zahl der Sammler und Vertreter von Kunsteinrichtungen im Vergleich zum Vorjahr um ein Viertel.

Hidde van Seggelen hofft noch auf einen anderen Effekt der Pandemie: «Wir haben im vergangenen Jahr gelernt, dass wir mehr Zeit zuhause verbringen – ja sogar im Homeoffice arbeiten. Die Gestaltung des persönlichen Wohn- und Arbeitsbereichs hat also an Bedeutung gewonnen, und für viele Menschen sind Kunstwerke im Haus, in der Wohnung oder im Büro eine große Bereicherung.» Worauf die Händler jetzt vor allem hoffen, ist ein Stück Normalität. Im Vorausgriff darauf kündigt van Seggelen an, dass die TEFAF 2022 wieder ganz regulär im März stattfinden soll – mit frischen Frühlingsblumen zur Begrüßung.

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