Angeklagte sollen gefesselte Frau im Fluss ertränkt haben

Die junge Frau hätte dringend medizinische Hilfe gebraucht. Stattdessen wurde sie nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zur Prostitution gezwungen und in der Weser ertränkt. Die mutmaßlichen Mörder müssen sich seit Montag vor Gericht verantworten.

Nach dem gewaltsamen Tod einer gefesselten 19-Jährigen in der Weser im niedersächsischen Kreis Nienburg hat am Montag vor dem Landgericht Verden der Prozess gegen zwei Männer und eine Frau begonnen.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten im Alter von 40, 53 und 39 Jahren Mord vor. Laut Anklage sollen die drei Deutschen die wehrlose, psychisch kranke 19-Jährige grausam und aus niedrigen Beweggründen getötet haben, um andere Straftaten zu verdecken. Die Frau wurde im April 2020 nackt an einer Waschbetonplatte festgebunden in der Weser ertränkt.

Nach den Schilderungen der Staatsanwältin wollten die Männer die Frau zunächst als Prostituierte vermarkten. «Die Angeklagten sahen die Chance, sich als Zuhälter zu etablieren», sagte die Juristin bei Verlesung der Anklage. «Hi, ich bin Andrea, meldet euch, wenn ich eure Laune verbessern soll» – diese Anzeige mit Preisliste für sexuelle Handlungen inklusive Sex ohne Kondom soll einer der Angeklagten veröffentlicht haben. Dass die junge Frau an einer paranoiden Schizophrenie erkrankt war, sei ihm bewusst gewesen.

«Sie war hochgradig psychotisch», so die Staatsanwältin. Demnach war die 19-Jährige nicht in der Lage, sich zu äußern und geordnete Gespräche zu führen. Dennoch hätten die Männer die junge Frau von einem anderen Mann für 2000 Euro und den Erlass von Drogenschulden «gekauft». Laut Anklage gingen der 40-Jährige und der 53-Jährige davon aus, die «Problematik» in den Griff zu bekommen. Demnach hofften beide auf sexuelle und finanzielle Vorteile. Die angeklagte 39-Jährige soll in das Geschäft und den Plan eingeweiht gewesen sein. Den Ermittlungen zufolge besorgte sie Schuhe für die Frau, die in einen angemieteten Raum gebracht wurde.

Als die 19-Jährige dieses Zimmer verwüstete, sollen die Angeklagten die Frau ins Wohnhaus des 40-Jährigen und später in die Garage auf dem Grundstück gebracht haben. Laut Anklage verschlechterte sich der Gesundheitszustand der jungen Frau weiter, so dass letztlich alle drei Angeklagten die Frau bewacht hätten. Diese habe phasenweise laut geschrien, so die Staatsanwältin. Um sie zur Ruhe zu bringen, sollen die Angeklagten die 19-Jährige gequält und ihr ein Medikament gegeben haben. Ihrer Tochter soll die 39-Jährige verboten haben, die Garage zu betreten. Obwohl die Männer und die Frau sahen, in welch dramatischer Lage die 19-Jährige war, habe keiner Hilfe geholt. Sie hätten die Frau als Objekt betrachtet, ohne jegliches Mitgefühl, sagte die Staatsanwältin.

Der Tötungsplan entstand demnach, als den Angeklagten klar wurde, dass sie mit der Frau kein Geld verdienen können. Die 39-Jährige, die eifersüchtig auf die jüngere Frau gewesen sein soll, habe vorgeschlagen, die 19-Jährige gefesselt auf die Bahngleise zu legen. Der Staatsanwaltschaft zufolge vereinbarten die drei Angeklagten schließlich, die Gefangene in die Weser zu werfen. Laut Anklage soll das Trio die Frau entkleidet und mit einem Stromkabel so auf eine Waschbetonplatte festgebunden haben, dass jede Bewegung Druck auf ihren Hals ausübte. Den Ermittlungen zufolge sollte das verhindern, dass die Frau zurück an die Wasseroberfläche gelangt.

Ob alle drei oder nur die Männer am 9. April 2020 zur Weserschleuse in Balge fuhren, wo die völlig verängstigte Frau in den Fluss geworfen wurde, konnten die Ermittlungen nicht klären. Es könne auch sein, dass die 39-Jährige in Kenntnis des Tötungsvorhabens auf dem Grundstück geblieben sei und Spuren beseitigt habe, sagte die Staatsanwältin. Sicher ist, dass die Frau qualvoll ertrank.

Die Angeklagten, die in Fußfesseln in den Saal gebracht wurden, wollten sich zum Auftakt nicht zu den Vorwürfen äußern. Der Vorsitzende Richter wies die Männer darauf hin, dass ihnen nicht nur eine Verurteilung wegen Mordes, sondern auch wegen Menschenhandels droht. Die Frau könnte sich des Mordes und der Beihilfe zum Menschenhandel schuldig gemacht haben. Wegen der Corona-Pandemie und aus organisatorischen Gründen wurde nicht in den Räumen des Landgerichts, sondern in der Stadthalle in Verden verhandelt. Die Kammer hat Termine bis Ende Juni geplant. (Az 1 Ks 113/20)

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