Reise «anders vorgestellt» – Kerber raus, Zverev nervenstark

Enttäuschender Auftakt für die deutschen Tennis-Damen: In Melbourne ist für ein Trio schon nach der ersten Runde Schluss. Fünf Jahre nach ihrem Titelgewinn dauert Angelique Kerbers Auftritt gerade einmal 70 Minuten. Alexander Zverev dagegen demonstriert doppelt Stärke.

Als Alexander Zverev schmunzelnd über sein neues Muskelshirt-Outfit und den zerhackten Tennisschläger plauderte, beschäftigte sich die frustrierte Angelique Kerber mit ihren Plänen für die nächste Woche.

Gerade einmal 70 Minuten stand die ehemalige Weltranglisten-Erste und Turniersiegerin von 2016 auf dem Platz, ehe ihr Auftakt-Scheitern bei den Australian Open besiegelt war. Nach einem 0:6, 4:6 gegen die Amerikanerin Bernarda Pera.

«Ich habe mir die Reise nach Australien natürlich ganz anders vorgestellt. Wie meine Pläne sind, das weiß ich noch nicht», sagte Kerber und sagte zum Abschied den recht ernüchternden Satz: «Ich weiß, wo ich stehe. Ich habe in der ersten Runde verloren.»

Weil in Andrea Petkovic (3:6, 6:3, 4:6 gegen die an Nummer 27 gesetzte Tunesierin Ons Jabeur) und Laura Siegemund (1:6, 1:6 gegen Serena Williams) zwei weitere deutsche Damen ausschieden, bleibt als einzige Deutsche Mona Barthel übrig. Die Schleswig-Holsteinerin trifft am Dienstag in der ersten Runde auf die Qualifikantin Elisabetta Cocciaretto aus Italien. «Unterm Strich ist eine 0:3 Bilanz natürlich enttäuschend», sagte Eurosport-Expertin Barbara Rittner. Bei den Herren erreichte noch Dominik Koepfer aus Donaueschingen die zweite Runde in Melbourne; der als sogenannter Lucky Loser ins Feld gerutschte Cedrik-Marcel Stebe schied aus.

Während sich Koepfer nun auf ein attraktives Kräftemessen mit dem an Nummer drei gesetzten österreichischen US-Open-Champion Dominic Thiem freute, wollte Angelique Kerber nicht lange drumherumreden. «Wenn ich das alles vorher gewusst hätte, hätte ich es mir zwei Mal überlegt», sagte die deutsche Nummer eins, die wegen der Corona-Auflagen der australischen Gastgeber nach ihrer Einreise zwei Wochen in strikter Quarantäne verbracht hatte. Bei ihrem ersten Turnier in der vergangenen Woche war sie im Viertelfinale ausgeschieden.

«Ich bin keine, die Ausreden sucht. Aber natürlich hat es einen Einfluss, wenn du zwei Wochen lang keine Bälle schlagen kannst», sagte Kerber. Vor allem im ersten Durchgang blieb sie alles schuldig. Die Vorstellung erinnerte an ihren lustlosen Auftritt bei den French Open Ende September. Auch damals war sie in Runde eins gescheitert.

Die 33-Jährige bewegte sich schlecht, leistete sich viele einfache Fehler und gab den ersten Satz nach nur 18 Minuten mit 0:6 ab. Mickrige acht Pünktchen machte sie in dem Durchgang. «Bevor ich nach Australien geflogen bin, hatte ich eine gute Vorbereitung und einen guten Rhythmus. Nach der Quarantäne hat heute aber der Rhythmus gefehlt», sagte Kerber. Die dreimalige Grand-Slam-Siegerin hatte nach ihrer Ankunft in Melbourne 14 Tage in strikter Quarantäne verbringen müssen, weil es auf ihrem Flug einen Corona-Fall gegeben hatte.

Die ehemalige Nummer eins der Welt hatte ihr Hotelzimmer deshalb in dieser Zeit nicht verlassen dürfen. Die Vorbereitung auf das erste Grand-Slam-Turnier der Saison war dadurch natürlich deutlich eingeschränkt. Gegen Pera lag Kerber auch im zweiten Satz schnell mit 0:3 hinten, es drohte ein völliges Debakel. Doch dann entdeckte die frühere Nummer eins der Welt zumindest ihr Kämpferherz. Doch auch wenn Pera jetzt etwas nervös wurde und sich mehr Fehler leistete, reichte es für Kerber nicht mehr für die Wende. Nach lediglich 70 Minuten verwandelte die Nummer 66 der Welt ihren zweiten Matchball.

Diesem sportlichen Schicksal entging Zverev – dank einer Leistungssteigerung und einem Wutausbruch. «Es ist ja etwas, was ich nicht mehr allzu oft mache», sagte der 23-Jährige aus Hamburg nach seinem 6:7 (8:10), 7:6 (7:5), 6:3, 6:2 gegen Marcos Giron aus den USA. Zverev trifft nun auf dessen Landsmann Maxime Cressy.

Als er im zweiten Durchgang das Break zum 5:4 kassierte, schlug Zverev seinen Schläger auf den blauen Betonboden und machte ihn für immer spieluntauglich. «Heute war es irgendwann frustrierend. Ich habe im ersten Satz geführt, ich habe im zweiten Satz geführt, da musste alles einfach mal raus», schilderte der Weltranglisten-Siebte, der teilweise noch von Schmerzen im Rücken und der Bauchmuskulatur gehandicapt war, seine emotionale Aufwallung.

So aber beseitigte Zverev in seinem neuen Outfit im Stile eines Basketballprofis schnell mögliche Zweifel am Weiterkommen. «Ich hoffe, es hat nicht zu blöd ausgeschaut», sagte er gut gelaunt über seine Kollektion mit weiter Hose und ärmellosem Shirt. «Man muss sich ein bisschen dran gewöhnen. Aber für mich ist es ganz cool.»

© dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten.