Corona erschwert Arbeit in Kinderhospizen

Die Arbeit im Kinderhospiz bedeutet vor allem eines: Nähe und Geborgenheit für die Kinder schaffen und Angehörige entlasten. Doch das ist in Coronazeiten schwierig. Leidtragende sind Familien, die auch schon vorher an ihre Grenzen kamen.

Kinderhospiz und Lachen – das bringen viele Außenstehende nicht miteinander in Verbindung. Für Familie Kuhlemann aus Bremen jedoch gehört beides zusammen. Die achtjährige Emma war Ende 2020 mit ihrer Mama vier Wochen im Kinderhospiz Löwenherz im niedersächsischen Syke. 

«Sie hat so viel gelacht, dass kannten wir gar nicht von ihr», sagt Katharina Kuhlemann. Emma hat einen seltenen Gendefekt. «Sie entwickelt sich zurück», erklärt ihre Mutter. Inzwischen ist Emma blind und wird über eine Magensonde ernährt. Sie kann nicht selbstständig sitzen oder stehen. 

Zwei bis drei Mal pro Jahr geht Emma ins Kinderhospiz, mal allein, mal mit Mama und der gesunden Zwillingsschwester Sophie, mal mit der Oma. Bis zu 28 Tage im Jahr können sich Familien mit unheilbar kranken Kindern im Hospiz eine Auszeit vom Alltag nehmen, bezahlt von Spenden und der Krankenkasse. «Manchmal sind es Monate, oft Jahre, in denen die Eltern bis an den Rand der Erschöpfung gefordert werden», sagt Dorota Walkusz, Pflegedienstleiterin bei Löwenherz.

Schätzungen zufolge leben in Deutschland 50 000 Kinder und Jugendliche mit einer lebensverkürzenden Erkrankung. Das erste Kinderhospiz wurden 1998 in Olpe in Nordrhein-Westfalen eröffnet. Inzwischen gibt es bundesweit 18 Kinder- und Jugendhospize sowie rund 150 ambulante Dienste. Zum Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar will der Deutsche Kinderhospizverein wegen Corona statt in einer zentralen Veranstaltung mit Videos und Beiträgen in den sozialen Medien und einem neuen Podcast über das Thema informieren. 

Die wesentliche Funktion von Kinder- und Jugendhospizen sei die Entlastung und Stärkung der Familien, sagt Walkusz. «Und das in einer liebevollen Atomsphäre.» Im Hospiz könnten Angehörige durchatmen, Kraft tanken und sich mit anderen Betroffenen austauschen. Das sei zu Coronazeiten mehr denn je nötig, wenn Zuhause zeitweise der ambulante Pflegedienst ausfalle, Therapieangebote wegbrächen und Geschwisterkinder zu Hause beschult werden müssten. Doch wegen Corona könnten im Hospiz nicht alle Plätze belegt werden, Therapieangebote seien eingeschränkt. 

«Auch die Anreise von Geschwisterkindern musste begrenzt werden, um die Einhaltung der Abstandsregeln zu gewährleisten», so Walkusz. Beim ersten Lockdown seien nur Familien in Krisensituationen oder zur Sterbebegleitung aufgenommen worden. Später wurde die Aufnahme zwar gesteigert. Allerdings hätten auch viele Familien abgesagt – aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Virus.

Kinder mit einer lebensverkürzenden Erkrankung gehörten schließlich zur Hochrisikogruppe, sagt Silke Keller vom Deutschen Kinderhospizverein. Dieser fordert daher die schnellstmögliche Impfung aller Pflegepersonen dieser Menschen, da Minderjährige bisher nicht selbst geimpft werden können. «Grundsätzlich kann man vor allem sagen, dass Kinder- und Jugendhospizarbeit auf Nähe, Begegnungen und Austausch aufbaut – vieles, was unter Corona nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich ist», sagt Keller.

Auch die ambulante Kinderhospizarbeit kann wegen Corona nur eingeschränkt angeboten werden. «In knapp der Hälfte der Begleitungen haben wir im Laufe des letzten Jahres entweder kurzfristig oder auch über den gesamten Zeitraum eine persönliche Begleitung vor Ort pausiert», sagt Kirsten Höfer, Leiterin der ambulanten Kinderhospizarbeit bei Löwenherz. Begegnungen fänden nur mit Schutzmaßnahmen statt. «Zum Teil war es für die Kinder befremdlich bis beängstigend, dass ihnen vertraute Menschen nun mit FFP2-Maske, Schutzkittel und sehr viel Abstand begegnen.» Wenn es möglich war, wurden Treffen nach draußen verlegt und digitale Angebote geschaffen.

Trotz der erschwerten Bedingungen wollte Katharina Kuhlemann mit Emma Anfang November für acht Tage ins Kinderhospiz Löwenherz. «Für uns ist das eine Entlastung», sagt die Mutter. «Ich würde sonst durchdrehen.» Emma schlafe nicht jede Nacht durch, die letzten Nächte seien gerade mal wieder um 4.00 Uhr zu Ende gewesen. «Da genießt man, dass man im Hospiz mal ausschlafen kann.»

Aus den geplanten acht Tagen wurden dann vier Wochen: Der zuhause gebliebene Familienvater wurde während des Aufenthalts der beiden positiv auf Corona getestet, Mutter und Tochter Emma mussten im Hospiz in Quarantäne. «Das Essen wurde uns vor die Zimmertür gestellt.» Beide nutzen die Zeit, um viel zu kuscheln. «Emma hat sich gefreut, dass sie ganz viel Zeit mit Mama verbringen konnte.» Für sie selbst bedeutete die Quarantäne aber auch Stress. «Es war wie im Gefängnis».

Nach der Quarantäne und mehreren negativen Coronatests wollten Mutter und Tochter wieder nach Hause. Doch dann wurde auch Emmas Zwillingsschwester Sophie positiv auf Corona getestet. Somit blieben Mama und Emma weiter im Hospiz. Dieses Mal durften sie sich immerhin im Gebäude bewegen. Auch wenn das Angebot eingeschränkt gewesen sei, hätten ihr die Gespräche mit dem Löwenherz-Personal gutgetan. «Hier wird man so akzeptiert, wie man ist. Für uns ist es wie ein Zuhause geworden», sagt Katharina Kuhlemann. Der nächste Aufenthalt von Emma und ihrer Oma bei Löwenherz ist bereits geplant.

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