Im Kampf gegen die sich ausbreitende südafrikanische Corona-Variante hat das österreichische Bundesland Tirol neue Ausreisebeschränkungen in Kraft gesetzt.
Ein Verlassen des Bundeslands in Richtung Deutschland oder in angrenzende österreichische Bundesländer ist in den nächsten zehn Tagen nur mit einem negativen Corona-Test möglich, der nicht älter als 48 Stunden sein darf.
Deutschland will ab Sonntag mit eigenen Maßnahmen auf die Ausbreitung der Corona-Varianten reagieren. Am Freitagmorgen wollen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts, über die Corona-Lage informieren.
Nach Angaben des Bundesinnenministeriums wurden Tschechien und Tirol als sogenannte Virusmutationsgebiete eingestuft. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe entschieden, ab Sonntag neben den seit der Flüchtlingskrise bestehenden Binnengrenzkontrollen zu Österreich auch an den Grenzen zu Tschechien vorübergehende Grenzkontrollen einzuführen, teilte ein Sprecher mit. Die Bundesregierung stimme sich derzeit mit allen beteiligten Partnern ab, «insbesondere zu etwaigen Ausnahmetatbeständen» und werde bald darüber informieren.
In Tirol bereitet vor allem die südafrikanische Corona-Variante große Sorgen. Zwischen dem 23. Dezember und dem 9. Februar wurden dort 438 bestätigte und teils unbestätigte Fälle dieser Virusvariante festgestellt. Die Variante gilt als ansteckender. Die Einhaltung der neuen Maßnahme soll von rund 1200 Polizisten und Soldaten engmaschig kontrolliert werden. Ein Verstoß kann bis zu 1450 Euro kosten. Ausgenommen von dieser Vorschrift sind Kinder sowie der Güterverkehr und die Durchreise ohne Zwischenstopp.
Unter den bislang als Virusmutationsgebiete eingestuften Staaten, für die ein Beförderungsverbot nach Deutschland gilt, ist bislang kein Nachbarland. Aus den bereits festgelegten Mutationsgebieten im Ausland dürfen derzeit fast nur noch Deutsche und Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland einreisen. Außerdem gibt es Sonderregeln für medizinisches Personal, Transit-Passagiere und den Warenverkehr.
Tschechien ist stark von der Corona-Krise betroffen. Landesweit meldeten die Behörden am Donnerstag 9446 neue Fälle. Der EU-Mitgliedstaat mit seinen rund 10,7 Millionen Einwohnern war bereits als Hochrisikogebiet eingestuft. Reisende aus Tschechien müssen schon jetzt bei der Einreise einen negativen Corona-Test vorlegen. Die Ausweisung als Virus-Variantengebiet würde die Reisemöglichkeiten noch weiter einengen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) verwahrte sich am Donnerstagabend in der ZDF-Sendung «Markus Lanz» gegen die Formulierung, die Grenzen zu Tirol und Tschechien würden «dicht» gemacht. Er sagte, dass jeder, der aus Tirol oder Tschechien einreisen wolle, künftig einen negativen Corona-Test vorlegen müsse. Es gebe dabei keine Ausnahmen.
Die ansteckendere Coronavirus-Variante aus Großbritannien hat nach Angaben der bayerischen Landesregierung in einigen ostbayerischen Regionen bei Pendlern aus Tschechien bereits die Oberhand gewonnen. Der Anteil der mutierten Variante bei positiven Corona-Tests betrage in Tirschenreuth rund 70 Prozent, in Wunsiedel mehr als 40 Prozent, sagte Söder bei «Markus Lanz». Beide Städte liegen nahe der tschechischen Grenze. Sachsen hatte zuvor angesichts drastischer Corona-Zahlen in Tschechien bereits vor der Entscheidung Seehofers eine deutliche Einschränkung des Pendlerverkehrs angekündigt.
Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Thomas Strobl (CDU), begrüßte die Entscheidung des Bundesinnenministers. «Wir haben alle im vergangenen Frühjahr erfahren, wie schmerzhaft Grenzschließungen sind. Aber sie sind als Ultima Ratio notwendig, wenn es darum geht, Leib und Leben von Menschen zu schützen», sagte der baden-württembergische Innenminister den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Ähnlich äußerten sich die beiden SPD-Politiker Achim Post und Dirk Wiese. Die offenen Grenzen in Europa seien ein hohes Gut, das es auch in dieser Krise weiter zu schützen gelte. «Angesichts der aktuellen Ausbreitung der hochansteckenden Virus-Mutationen, insbesondere auch in Grenzregionen in Tschechien sowie Österreich sind zeitweilige Beschränkungen bis hin auch zu stationären Grenzkontrollen gegenüber diesen Nachbarstaaten in der akuten Krisenlage grundsätzlich angemessen. Sie müssen aber mit Augenmaß ausgestaltet werden.»
Tschechien kündigte an, ab diesem Freitag drei Grenzbezirke von der Außenwelt abzuschotten. Betroffen sind die Bezirke Cheb (Eger) und Sokolov (Falkenau) an der Grenze zu Bayern sowie Trutnov (Trautenau). Wer dort wohne, dürfe den jeweiligen Bezirk nicht mehr verlassen, sagte Gesundheitsminister Jan Blatny in Prag. Leute von außerhalb würden nicht hereingelassen. Ausnahmen gelten für den Weg zur Arbeitsstätte.
Beim ersten Lockdown im Frühjahr waren für drei Monate nationale Grenzkontrollen eingeführt worden, um das Einschleppen des Virus aus dem Ausland so weit wie möglich zu verhindern. Damals hatte es in einigen Bundesländern Kritik an dieser Maßnahme gegeben, weil Pendler, Familien und Unternehmen darunter litten.
Der Bundestag beschäftigt sich am Freitag mit dem Vorhaben der großen Koalition, die Grundlage dafür zu schaffen, dass mehrere Corona-Regelungen etwa zu Impfungen und Tests über Ende März hinaus weiterlaufen. Sie beruhen darauf, dass der Bundestag auch weiterhin eine «epidemische Lage von nationaler Tragweite» feststellt – darüber soll das Parlament künftig aber regelmäßig neu entscheiden müssen.
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