Alexander Zverev scherzte nach seinem lässigen Achtelfinal-Einzug und vor dem historischen Tennis-Lockdown bei den Australian Open blendend gelaunt mit den Fans im Stadion.
Wenn der letzte im Feld verbliebene deutsche Tennisprofi am Sonntag gegen Dusan Lajovic jedoch um ein mögliches Viertelfinal-Duell mit dem angeschlagenen Titelverteidiger Novak Djokovic kämpft, muss er auf die Unterstützung des Publikums verzichten.
Denn am Freitagabend um 23.30 Uhr Ortszeit erlebten die Fans in der Rod-Laver-Arena und die Beobachter aus der Ferne mitten im Drittrunden-Match zwischen Djokovic und dem US-Amerikaner Taylor Fritz ein Novum: Wegen eines fünftägigen Lockdowns in Melbourne wurde die Partie unterbrochen, alle Zuschauer mussten das Stadion verlassen, um spätestens um 23.59 Uhr zu Hause zu sein. Weil für die Metropole im australischen Bundesstaat Victoria wegen des Corona-Ausbruchs in einem Flughafen-Hotel ein erneuter Lockdown verhängt worden war, geht das Turnier vorerst ohne Zuschauer weiter.
Der sichtlich angeschlagene Djokovic setzte sich nach der mehrminütigen Unterbrechung noch mit 7:6 (7:1), 6:4, 3:6, 4:6, 6:2 gegen Fritz durch. Der Weltranglisten-Erste trifft jetzt auf den an Nummer 14 gesetzten Kanadier Milos Raonic – falls er bis Sonntag wieder fit ist. Beim Stand von 1:2 im dritten Satz verließ der 33 Jahre alte Serbe den Platz, um sich behandeln zu lassen. Wegen einer Hüft- oder Bauchmuskelverletzung wirkte Djokovic gehandicapt und quälte sich durch die Partie. «Ich habe einfach versucht, im Spiel zu bleiben. Das ist definitiv einer der speziellsten Siege meiner Karriere, dass ich das unter diesen Umständen noch geschafft habe», sagte er.
Fünf Sätze brauchte auch der US-Open-Sieger und Vorjahresfinalist Dominic Thiem, ehe er den Australier Nick Kyrgios mit 4:6, 4:6, 6:3, 6:4, 6:4 niedergerungen hatte. Deutlich leichter tat sich der imponierend auftretende Zverev bei seinem 6:3, 6:3, 6:1 gegen den französischen Linkshänder Adrian Mannarino. «Ich wollte, dass ihr nicht so lange in der Hitze sitzen müsst», sagte er zu den Zuschauern. Vor dem Achtelfinale gegen den Serben Dusan Lajovic wächst bei dem 23 Jahre alten Hamburger das Selbstvertrauen von Tag zu Tag. Angesprochen darauf, dass sein Name auf der Favoritenliste fehle, sagte Zverev: «Ich bekomme das ja alles mit.»
Dass viele Experten ihn nicht nennen, nehme er «schon persönlich», sagte Zverev bei Eurosport. «Das gibt mir Feuer. Am Ende des Tages ist es egal, wer auf der Favoritenliste steht. Am wichtigsten ist es, wer die Trophäe hochheben wird.»
Ob in der kommenden Woche und am Final-Wochenende wieder Zuschauer zurückkehren dürfen, ist derzeit noch nicht abzuschätzen. «Wir arbeiten weiter eng mit der Regierung zusammen, um die Gesundheit und die Sicherheit von allen Beteiligten zu gewährleisten», sagte Turnierdirektor Craig Tiley. «Die Spielerinnen und Spieler werden sich die kommenden fünf Tage in einer sogenannten Blase aufhalten, so wie sie es bereits seit Monaten gewohnt sind.» Das heißt, sie werden nur zwischen Anlage und Hotel hin und her pendeln.
Der Ausschluss der Zuschauer bedeutet für die Veranstalter einen weiteren Rückschlag. Schon vor dem Start war das Grand-Slam-Turnier von Corona beeinflusst worden. Zunächst hatten sich mehr als 70 Profis sowie Betreuerinnen und Betreuer für zwei Wochen in harte Hotel-Quarantäne begeben müssen, weil es auf ihren Flügen Corona-Fälle gegeben hatte. Dann hatten sich mehr als 500 Personen für etwa einen Tag isolieren müssen, weil ein Hotel-Mitarbeiter positiv auf das Coronavirus getestet worden war.
«Es ist natürlich schade für jeden Spieler. Tennis ohne Zuschauer ist anders. Wir spielen für die Zuschauer, wir spielen für die Momente auf den großen Plätzen vor 20 000 Menschen», sagte Zverev. Seit dem vergangenen Jahr, als er einen Teil seines Preisgeldes für die Opfer der Buschfeuer spendete, wird Zverev von den australischen Fans geliebt. «Ob man Publikumsliebling ist oder nicht, man vermisst die Menschen so oder so. Aber die Gesundheit geht vor. Man muss auf sein Land achten, was für die Australier Australien ist, daher kann man das verstehen», sagte der Weltranglisten-Siebte. «Ein Tennisturnier ist nicht das Wichtigste auf der Welt für die Menschen jetzt gerade. Das Wichtigste ist die Gesundheit. Und darauf achten sie jetzt auch.»
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