In Myanmar reißen die Proteste gegen den Militärputsch und den drohenden Abstieg in eine neue Ära der Diktatur nicht ab. Allein in der früheren Hauptstadt Rangun versammelten sich am Mittwoch Zehntausende Demonstranten.
Beobachtern zufolge handelte es sich um die größte Kundgebung seit Tagen. Mit einer Sitzblockade nahe der Sule-Pagode im Zentrum wurde der Verkehr teilweise lahmgelegt, wie Fotos in sozialen Netzwerken zeigten. Das Nachrichtenportal «Eleven Myanmar» sprach von einem «Meer von Demonstranten».
«Die Menschen haben ein Recht, sich zu versammeln, ohne die Bedrohung von Festnahmen und Gewalt durch das Militär», twitterte der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Myanmar, Tom Andrews. «Die Welt marschiert heute mit Euch.» Landesweit sollen Hunderttausende auf den Straßen gewesen sein. Zu den zentralen Forderungen gehört die Wiedereinsetzung der Regierung von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi.
In der Großstadt Mandalay fuhren in der Nacht zahlreiche Militärfahrzeuge auf, wie auf Fotos auf Twitter zu sehen war. Dennoch gab es auch dort am Mittwoch Massenproteste. Das Internet in Myanmar (ehemals: Birma) war die dritte Nacht in Folge blockiert.
Der UN-Gesandte Andrews warnte das Militär vor einer blutigen Niederschlagung der Proteste. «Ich habe Berichte erhalten, wonach Soldaten aus abgelegenen Regionen nach Yangon (Rangun) transportiert wurden.» In der Vergangenheit seien solche Truppenbewegungen Vorboten von «Massenmorden, Verschwindenlassen und Inhaftierungen» gewesen. Während der fast 50 Jahre währenden Militärdiktatur, die erst vor zehn Jahren demokratischen Reformen gewichen war, hatten die Generäle jeden Widerstand brutal niedergeschlagen.
In den vergangenen Tagen hat die Armee ihre Präsenz in vielen Hochburgen der Proteste massiv verstärkt. Immer wieder gibt es in sozialen Netzwerken Berichte von Festnahmen und Angriffen der Einsatzkräfte auf friedliche Demonstranten – etwa mit Wasserwerfern und Gummigeschossen, aber zuletzt auch mit Steinschleudern.
Das Armee hatte in der Nacht zum 1. Februar geputscht. Regierungschefin Suu Kyi sowie viele Mitglieder ihrer Regierung wurden in Gewahrsam genommen. Inzwischen geht die Justiz mit zwei Klagen gegen Suu Kyi vor – wegen angeblicher Verstöße gegen Import-Export-Gesetze und Nichteinhaltung von Corona-Maßnahmen. Überraschend wurde die 75-Jährige dazu per Videoschalte von einem Richter befragt, ohne Anwesenheit eines Anwalts, wie ihr Verteidiger betonte.
Suu Kyi wurde seit ihrer Festsetzung nicht mehr gesehen. Sie soll sich im Hausarrest befinden. Die Friedensnobelpreisträgerin hatte die Parlamentswahl im November zusammen mit ihrer Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) klar gewonnen. Dem Militär, das sich per Verfassung von 2008 eine Machtposition in Parlament und Regierung erhalten hatte, soll sie zuletzt immer gefährlicher geworden sein.
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