„Nur kein Baudenkmal!“

Wäre es besser gewesen, das Gicer Schloss platt zu machen?

Zum zweiten Mal in fünf Jahren sammeln die Einwohner des Ortes Gic im Komitat Veszprém Unterschriften: Zuerst protestierten sie dagegen, als das in dem Ort befindliche Jankovich-Bésán-Schloss dem Erdboden gleich gemacht werden sollte, jetzt wollen sie erreichen, dass der Gebäudekomplex von der Liste der Baudenkmäler gestrichen wird.

Wer glaubt, dass in dem 440-Seelen-Dorf im Bakony nur streitsüchtige Menschen leben, denen nichts recht ist und die nur zum Spaß gegen alles protestieren, was mit der einzigen wertvollen Bausubstanz in ihrem Dorf, dem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert gebauten Jankovich-Bésán-Schloss verbunden ist, der irrt.

„Es war immer unser Ziel, das wunderschöne Bauwerk vor dem Verfall zu bewahren“, stellt Tibor Horváth, der Bürgermeister von Gic, fest. „Es schien, dass wir auf dem richtigen Weg sind, die Rekonstruktion des Schlosses ist schon zur Hälfte fertig, als im Frühjahr dieses Jahres der Gebäudekomplex unerwartet zum Baudenkmal erklärt wurde. Wie sich nachträglich herausstellte, ist das mit schwerwiegenden Konsequenzen verbunden.“

Bevor wir uns mit diesen Konsequenzen befassen, lohnt es sich, die Geschichte der Immobilie zu schildern. Die Grafenfamilie Jankovich-Bésán begann in den 1840er Jahren das Gicer Schloss zu bauen, das seine endgültige Form in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhielt. Die Adelsfamilie verließ am Ende des II. Weltkrieges das Land, der Herrensitz wurde in staatliches Eigentum überführt, der zuerst von der Armee und später von der Komitatsverwaltung genutzt wurde. Das Komitat betrieb in dem Gebäude jahrzehntelang ein Erziehungsheim und erwarb schließlich auch das Eigentumsrecht.

Als die Komitatsselbstverwaltung im Jahre 2000 die Auflösung des Erziehungsheims beschloss, wurde gleichzeitig entschieden, dass das Schloss abgerissen wird. Die Gicer Einwohner reagierten bestürzt auf die Nachricht und begannen, um ihrem Protest Nachdruck zu verleihen, mit einer Unterschriftensammlung. Dann gelang es nach einem sich hinziehenden Verhandlungsmarathon den Herrensitz vor der Planierung zu retten. Das Komitat übereignete das Schloss unentgeltlich der kommunalen Selbstverwaltung von Gic.

„Damit begannen die Schwierigkeiten. Wir hatten keinen Filler dafür übrig, deshalb mussten wir einen Investor zur Rekonstruktion und Betreibung des Schlosses suchen“, sagt Tibor Horváth. „Dabei fanden wir die Veszprémer RÁTESZ Kft., der wir das Schloss auf 99 Jahre in kostenlose Nutzung gaben unter der Bedingung, dass sie spätestens bis 2009 den Gebäudekomplex zu einem Vier-Sterne-Schlosshotel umbaut, womit für das Dorf neue Arbeitsplätze geschaffen werden.“

Das Veszprémer Immobilienentwicklungsunternehmen schätzte die Rekonstruktion und Umgestaltung des 1700 Quadratmeter großen Schlosses und seiner Umgebung auf rund 200 Millionen Forint. Im Besitz der rechtskräftigen Baugenehmigung gelang es ihm, 57 Millionen Forint Fördermittel für die äußere Fassadeninstandsetzung zu erhalten, wovon bisher 25 Millionen Forint verbraucht wurden. Bis zum Beginn dieses Jahres wurden für die Immobilie rund 60 Millionen Forint aufgewendet: Unter anderem wurden sämtliche Türen und Fenster ausgewechselt und auch der Dachstuhl wurde erneuert. Im vergangenen Herbst wurde der Antrag auf die Baugenehmigung für die Errichtung einer den Komplex umgebenden Steinmauer eingereicht, doch die Genehmigung dazu wurde nicht erteilt. Erst im Februar 2006 begann man zu ahnen, warum nicht.

„Anfang Februar ging bei der Selbstverwaltung von Gic ohne jede Vorankündigung ein Beschluss von dem Amt für kulturelles Erbe ein, laut dem der Kultusminister mit einer Verordnung vom Dezember vergangenen Jahres das Jankovich-Bésán-Schloss zum Baudenkmal und die benachbarten 18 Immobilien zum Baudenkmalumfeld erklärte“, sagt Tibor Horváth. „Das ganze Dorf war erstaunt. Wo war das Amt bisher gewesen? Wo war es, als die Komitatsselbstverwaltung das ganze Gebäude platt machen wollte? Wo war es, als Mitte der 1990er Jahre die Platanen und Nussbäume des Parks gefällt wurden? Jetzt zeigt es sich, als schließlich ein Unternehmen bereit ist, das Schloss vor dem Verfall zu bewahren?!“

Es stellte sich heraus, dass der Denkmalschutz die Hotelinvestition sehr erschwert.

„Kaum einen Monat später erhielten wir vom Amt für kulturelles Erbe den Beschluss, in dem unser Baugenehmigungsantrag für die Steinmauer abgewiesen wurde“, erfuhr man von Ferenc Fröhlich, dem Eigentümer und Geschäftsführer der RÁTESZ Kft. „Die Höhe und das Material der Umzäunung wurden bemängelt und die fehlende Harmonie von Mauer und Torelementen beanstandet. Als wenn wir irgendeinen billigen Plan eingereicht hätten! Dazu muss man wissen, dass wir einen der besten Architekten des Landes beauftragten, der ausgesprochen darauf achtete, dass die Umzäunung sich den im 19. Jahrhundert verwendeten Formen anpasst. Das Amt suchte nur einen Vorwand.“

Das Unternehmen stellte nach dem durchkreuzten Bau der Umzäunung die Arbeiten ein. Ferenc Fröhlich sagt, dass es sich nicht lohnt, die Bautätigkeit fortzusetzen, wenn das Amt für kulturelles Erbe auch später die Pläne zur Schlossrekonstruktion torpedieren wird. Der Unternehmer begründete seine Meinung damit, dass Dénes Jankovich-Bésán, der Dokumentationsdirektor des Amtes, der Selbstverwaltung von Gic den Beschluss über die Unterschutzstellung übersandte. Nach der Auffassung von Fröhlich ist die Namensgleichheit kein Zufall, er meint, dass der Abkömmling des einstigen Eigentümers der Grafenfamilie hinter dem ganzen Baudenkmalverfahren steht.

„Ich bin ein Cousin dritten Grades von Graf András Jankovich-Bésán, der vor der Verstaatlichung als Erbe des Schlosses galt“, sagt der Dokumentationsdirektor des Amtes. „Ich habe mit der Unterschutzstellung nichts zu tun, denn die beantragte eine Privatperson. Ich mischte mich in das amtliche Verfahren nicht ein, wenn ich auch die Unterschutzstellung des Gicer Schlosses aus fachlicher Sicht für richtig halte. Ich weise allerdings zurück, dass meinen Kollegen Vorwände gebrauchen. Sie bemühen sich darum, in jedem Fall eine fachlich fundierte Lösung zu finden.“

Gemessen daran unterlief bei dem Beschluss über die Unterschutzstellung des Schlosses ein schwerer Fehler. Darin steht nämlich, der Friedhof der Israeliten und einzelne Grabsteine müssten geschützt werden, wo es in Gic niemals einen jüdischen Friedhof gab.

„Das ist wirklich ein Irrtum, wie er leicht vorkommen kann, wenn ein Amt sich mit 25.000 Angelegenheiten befassen muss“, sagt Dénes Jankovich-Bésán. „Seitdem haben wir schon das korrigierte Dokument zugeschickt. Die Dorfbewohner sammeln umsonst die Unterschriften, denn die Unterschutzstellung kann jeder veranlassen. Genauso kann jeder die Streichung des Baudenkmals von der Liste verlangen. Auch die des Gicer Schlosses. Doch dazu sind gute Argumente nötig.“

Vorerst weiß man nicht, ob es eine solche Initiative geben wird. Man weiß auch nicht, ob das Veszprémer Unternehmen die Bauarbeiten fortsetzen wird. Wenn es sich aus der Investition zurückzieht, verliert es die Unions-Fördermittel und auch die bisher verbrauchten Gelder müssen zurückgezahlt werden. In dem Fall wäre das Dorf der eigentliche Verlierer, ihm bliebe das zur Hälfte erneuerte Schloss, dass es weder fertig stellen und noch unterhalten könnte.

„Vorerst gibt es in der Sache nur Verlierer“, sagt Tibor Horváth. „Wenn eine Unterschutzstellung mit solchen Konsequenzen einhergeht, dann hat sie keinen Sinn. Die Dorfbewohner sagen jetzt, wir hätten es geschehen lassen sollen, dass das Schloss platt gemacht wird, dann hätten wir jetzt kein Problem. Auch ich kann nur im Geheimen hoffen, dass die so vielversprechend beginnende Geschichte nicht ein so absurdes Ende nimmt.“