Geheimdienste sollen WhatsApp & Co. mitlesen dürfen

Sollen Geheimdienste mutmaßliche Extremisten auch bei verschlüsselter Kommunikation ausspähen dürfen? Nach langem Tauziehen sind sich Union und SPD einig, und das Kabinett berät. Doch es gibt Kritik.

Das Kabinett berät heute über neue Befugnisse der Geheimdienste zur Überwachung von Kommunikation über WhatsApp und andere verschlüsselte Messenger-Dienste.

Wie die Deutsche Presse-Agentur erfuhr, sollen der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst und der Militärische Abschirmdienst (MAD) künftig nicht nur laufende Gespräche via Messenger belauschen dürfen, sondern auch per Messenger versendete Botschaften mitlesen können.

Voraussetzung für die sogenannte Quellen-TKÜ ist in jedem Fall eine entsprechende Anordnung. Um die Kontrolle solcher Maßnahmen zu verbessern, wird die Zahl der Mitglieder der für ihre Genehmigung zuständigen G10-Kommission des Bundestages erhöht. Das war der SPD wichtig. Außerdem soll der Kommission ein technischer Berater an die Seite gestellt werden.

Die FDP kritisierte das Vorhaben. «Dass nun auch die Nachrichtendienste den Staatstrojaner einsetzen dürfen sollen, gleicht einem Ausverkauf der Bürgerrechte. Es überrascht sehr, dass Bundesjustizministerin (Christine) Lambrecht (SPD) als Verfassungsministerin diesen Schritt hin zum gläsernen Bürger als Ideal konservativer Sicherheitspolitik mitgeht», sagte der FDP-Vizefraktionschef Stephan Thomae der dpa. «Die Überwachung verschlüsselter Kommunikation, also die Quellen-TKÜ, ist der kleine Bruder der Online-Durchsuchung und stellt ebenso einen massiven Grundrechtseingriff dar.» Beide hätten bei den verdeckt und im Gefahrenvorfeld agierenden Nachrichtendiensten «nichts verloren».

Die Union hingegen hatte lange auf die Regelung gedrungen. «Es ist gut und wichtig, dass die Anpassung des Verfassungsschutzgesetzes nun endlich auf den Weg gegeben wird», sagte ihr innenpolitischer Fraktionssprecher Mathias Middelberg (CDU). Nur so könne der Inlandsgeheimdienst auch im digitalen Zeitalter seine Rolle als Frühwarnsystem weiter ausüben.

Der Entwurf aus dem Bundesinnenministerium sieht außerdem einen erweiterten Austausch von Informationen zwischen dem MAD und den Verfassungsschutzbehörden vor. Auch werden die Hürden für die Beobachtung von Einzelpersonen durch den Verfassungsschutz gesenkt. Damit zieht die Bundesregierung Konsequenzen aus den rechtextrem motivierten Terroranschlägen in Halle und Hanau. Beide Anschläge waren von Tätern verübt worden, die nach bisherigen Erkenntnissen keiner Gruppierung angehörten.

Das Vertrauen der Bürger in den Verfassungsschutz ist einer SWR-Umfrage zufolge nur mittelmäßig bis unterdurchschnittlich ausgeprägt. 51 Prozent der 1004 von Infratest-Dimap Befragten gaben an, dem im Inland zuständigen Verfassungsschutz sehr großes oder großes Vertrauen entgegenzubringen, beim im Ausland tätigen Bundesnachrichtendienst taten dies nur 38 Prozent. Umgekehrt bekundeten 43 beziehungsweise 49 Prozent, wenig oder kein Vertrauen in diese Dienste zu haben – mit Abstand am stärksten Anhänger der AfD, in geringerem Maße aber auch der Linken.

Andere, ebenfalls abgefragte Institutionen wie die Polizei (79 Prozent) oder die Gerichte (65 Prozent) genießen bei weit mehr Menschen Vertrauen. In der vorgegebenen Liste schnitten nur die Parteien mit 30 Prozent Vertrauen schwächer als die Geheimdienste ab.

Zugleich befanden aber 56 Prozent, der Verfassungsschutz kümmere sich zu wenig um den Rechtsextremismus, und 47 Prozent, zu wenig um den Linksextremismus.

© dpa (www.dpa.de). Alle Rechte vorbehalten.