Bei den Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst ist ein Durchbruch in Sicht. Wie aus Teilnehmerkreisen in Potsdam zu erfahren war, erzielte die Spitzengruppe von Arbeitgebern und Gewerkschaften in der Nacht einen Einigungsvorschlag.
Noch in der Nacht sollten die Gremien beider Seiten über diesen Vorschlag für ein Tarifergebnis beraten. Es geht um das Einkommen von mehr als zwei Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen. Mit einer Einigung wären nach wochenlangen Ausständen neue Streiks etwa in Kliniken, in Kitas, im Nahverkehr und in Rathäusern vom Tisch.
Wie aus Verhandlungskreise beider Seiten zu erfahren war, sollte der Kompromissvorschlag in den Bundestarifkommissionen von Verdi und des Beamtenbundes dbb sowie in der Mitgliederversammlung der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) beraten werden. Auch am Sonntagmorgen sollten diese Gremien zunächst noch beraten. Ohne Zustimmung dieser Basis- und Kommunenvertreter würde der Vorschlag in vorgelegter Form scheitern. Am Vormittag wollte sich die Spitzengruppe wieder zusammensetzen, um letzte Details zu klären. Für den Mittag war die Informierung der Öffentlichkeit geplant.
Die Tarifrunde fand wegen der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen statt. Die Mitglieder der Tarifkommission von Verdi waren teilweise online zugeschaltet. Die Gewerkschaften standen unter dem Druck, Streiks und Proteste unter Einhaltung der Hygieneregeln durchzuführen. Die Haushalte der Kommunen sind wegen der Wirtschaftskrise und wegbrechender Gewerbesteuereinnahmen belastet.
Die laufende dritte Verhandlungsrunde hatte am Donnerstag begonnen. Die Positionen lagen lange weit auseinander. Am Samstag wurde mit Unterbrechungen fast 14 Stunden lang verhandelt. Stundenlang saßen die Gremien in Wartestellung, um einen Vorschlag zu beraten. Details wurden zunächst nicht bekannt.
Die Gewerkschaften waren mit der Forderung eines Lohn- und Gehaltsplus von 4,8 Prozent bei einjähriger Laufzeit in die Verhandlungen gegangen. Mindestens soll es 150 Euro mehr im Monat geben. Bund und Kommunen wollen eine Laufzeit von drei Jahren. Eine Erhöhung der Entgelte solle es zum 1. März 2021 um 1,0 Prozent geben, dann noch um weitere 1,0 Prozent und 1,5 Prozent jeweils ein Jahr später. Der erste Erhöhungsschritt solle mit einem Mindestbetrag von 30 Euro verbunden werden. Betroffen sind etwa Erzieherinnen und Erzieher, Busfahrer, Müllwerker, Rathausmitarbeiter und zahlreiche andere Angestellte.
Angesichts der Belastungen von Pflegerinnen und Pflegern in der Corona-Pandemie steht die Pflege bei den Verhandlungen mit im Zentrum. Die Arbeitgeber hatten eine Pflegezulage von monatlich 50 Euro für die Beschäftigten in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen geboten. Verdi-Chef Frank Werneke hatte dies als «skandalös» zurückgewiesen. Die Gewerkschaften fordern eine Zulage von 300 Euro. Intensiv wird über einzelne Pflegebereiche verhandelt. VKA-Chef Ulrich Mädge hatte mitgeteilt: «Eine Intensivpflegerin wird nach unseren Vorstellungen 8 Prozent mehr Gehalt bekommen.»
In Gewerkschaftskreisen war ausgeschlossen worden, dass die Arbeitnehmervertreter eine Laufzeit von drei Jahren ohne deutlich höhere Steigerungen beim Lohn akzeptieren. Der VKA-Präsident Mädge hatte aber betont, die drei Jahre seien für die Kommunen «ganz wichtig».
Zu der achtköpfigen Spitzengruppe der Verhandlungsführer gehören für die Kommunen Lüneburgs Oberbürgermeister Mädge (SPD) und für den Bund Innenminister Horst Seehofer (CSU), für die Gewerkschaft Verdi Werneke und für den Beamtenbund dbb der Vorsitzende Ulrich Silberbach.
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