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Der islamistische Terror hat in Europa Wurzeln geschlagen

«Einsperren, abschieben, Grenzen dicht», nach jedem islamistischen Terroranschlag in Europa melden sich Rechtspopulisten mit den gleichen Vorschlägen. Doch ganz so einfach ist es nicht.

Deutschland, Frankreich, Österreich: Vier islamistische Terroranschläge in einem Monat. Die vergangenen Wochen haben auf brutale Art und Weise gezeigt, dass Europa noch mittendrin steckt im Kampf gegen den Terrorismus im Namen des Islam.

Und sie haben deutlich gemacht, dass die größte Gefahr zur Zeit von Attentätern ausgeht, die zwar alleine handeln, aber dennoch eingebunden sind in Netzwerke von Gleichgesinnten, die einander aufstacheln und unterstützen.

Zur Wahrheit gehört auch: Die Zahl derjenigen, die man kennt, weil sie in Terrordateien als potenzielle Attentäter gespeichert sind, ist hoch. Es sind zu viele Menschen, als dass Polizei und Nachrichtendienste sie alle rund um die Uhr im Blick behalten könnten. Alleine in Deutschland rechnet der Verfassungsschutz dem islamistisch-terroristischen Personenpotenzial 2060 Menschen zu.

In Frankreich und Belgien bietet die Perspektivlosigkeit in bestimmten Migrantenmilieus Anknüpfungspunkte für radikale Seelenfänger. Auch junge Männer, die als Flüchtlinge und illegale Einwanderer mit unrealistischen Erwartungen nach Europa gekommen sind, erliegen leicht den Sirenengesängen der Hassprediger.

«Unsere Sicherheitsbehörden verhindern immer wieder islamistische Terroranschläge», sagt der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg. «Erst im April dieses Jahres wurden beispielsweise fünf tadschikische Islamisten in NRW verhaftet, die Anschläge auf einen US-Stützpunkt planten.»

Doch es kommt auch immer wieder zu falsche Einschätzungen der Behörden. In Wien glaubt die Justiz fälschlicherweise, der 20-jährige Kujtim Fejzulai habe nach der Teilnahme an einem Deradikalisierungs-Programm im Gefängnis dem Islamismus abgeschworen.

Nachdem in Dresden ein frisch aus der Haft entlassener Syrer Anfang Oktober einen Mann erstochen hat, kommt heraus, dass der Bundesnachrichtendienst einen Hinweis auf einen nach der Entlassung geplanten Anschlag nicht an die sächsischen Sicherheitsbehörden weitergegeben hatte. Die wussten zwar zu diesem Zeitpunkt schon, dass der Islamist gefährlich ist, hätten ihn nach einem solchen Hinweis aber vielleicht noch engmaschiger überwacht.

Auch die Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty durch einen 18-jährigen Tschetschenen kam nicht völlig überraschend. Nachdem er im Unterricht zur Illustration des Themas Meinungsfreiheit die Mohammed-Karikaturen des Satiremagazins «Charlie Hebdo» gezeigt hatte, wurde im Netz gegen den Lehrer gehetzt – unter anderem der Vater einer Schülerin war daran beteiligt.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron will jetzt auch islamistischen Gruppen das Leben schwer machen, die zwar nicht zur Gewalt aufrufen, aber das gesellschaftliche Klima aufheizen. Auch in Deutschland gibt es Politiker die meinen, der Staat sei bislang zu duldsam im Umgang mit Gruppierungen, die personelle Kontakte und ideologische Nähe zur Muslimbruderschaft haben.

Doch auch wenn in den Behörden keine Fehler passieren, lassen sich Terroranschläge in einem freiheitlichen Staat nie komplett verhindern. Der junge Tunesier, der in einer Kirche in Nizza drei Menschen erstach, war erst wenige Stunden im Land und daher für die französischen Behörden ein Unbekannter.

Wer die Zahl der Terroranschläge reduzieren will, muss wohl an mehreren Stellschrauben drehen. Schließlich haben auch zahlreiche Gesetzesverschärfungen der vergangenen Jahre nicht zu einem Ende des Terrors geführt.

«Für die frühzeitige Aufklärung von Terrorgefahren brauchen unsere Sicherheitsbehörden endlich zeitgemäße Befugnisse», sagt Middelberg. Er findet, die vom Kabinett jetzt beschlossene Erlaubnis für den Verfassungsschutz, auf verschlüsselte Messenger-Chats zuzugreifen, reiche nicht aus. Zur Terrorabwehr sollte dem Inlandsgeheimdienst in begründeten Einzelfällen auch gestattet werden, Handys und Computer von Extremisten online zu durchsuchen.

Die Opposition mahnt dagegen eine bessere Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden an – ohne dabei das Trennungsgebot zwischen Polizei und Nachrichtendienst zu verletzen. Auch Präventionsangebote, die junge Muslime gegen die Lockrufe der radikalen Islamisten wappnen sollen, stehen hoch im Kurs. Ihr Erfolg ist allerdings schwer messbar. Denn wie will man feststellen, wie viele der Menschen, die von diesen Angeboten profitiert haben, sonst zu Salafisten und womöglich gar zu Attentätern geworden wären?

Auch die sogenannten Deradikalisierungs-Programme sind kein Allheilmittel. Immer wieder gibt es Islamisten, die – wie der Attentäter von Wien – erfolgreich eine ideologische Kehrtwende vorspielen, und dann doch töten.

Abschiebungen helfen nur bedingt. Denn unter den islamistischen Gefährdern sind auch viele Deutsche, Franzosen, Belgier und Österreicher. Bei anschlagsbereiten Islamisten, die ohne Familie in Europa leben, kann eine Rückkehr ins heimische Umfeld im Einzelfall schon helfen und die Polizei entlasten.

Im Fall des österreichischen Attentäters, der auch den Pass des Herkunftslandes seiner Eltern, Nordmazedonien, hatte, haben die Behörden in Wien versucht, ihn nach seiner versuchten Reise zum IS in Syrien loszuwerden. Ein Verfahren auf Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft wurde jedoch nicht bewilligt. Auch in Deutschland wäre wohl in einem solchen Fall nicht anders entschieden worden. Seit Sommer 2019 können Doppelstaatler hierzulande zwar die deutsche Staatsbürgerschaft verlieren, wenn sie sich im Ausland einer Terrormiliz angeschlossen haben. Voraussetzung dafür ist jedoch die nachgewiesene Teilnahme an Kampfhandlungen.

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