Regierung bringt Kinder- und Jugendhilfereform auf den Weg

Eine Kindheit ohne eigenes Elternhaus, Aufwachsen in einem Alkoholikerhaushalt oder mit kranken Eltern, die sich nicht richtig kümmern können – Kinder und Jugendliche, die davon betroffen sind, sollen durch ein neues Gesetz stärker unterstützt werden.

Kinder und Jugendliche, die unter schwierigen sozialen Bedingungen oder in Heimen aufwachsen, sollen mehr Unterstützung bekommen. Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine Reform der Kinder- und Jugendhilfe auf den Weg gebracht.

Das Gesetz von Familienministerin Franziska Giffey (SPD) sieht mehr Kontrollmöglichkeiten, aber auch mehr Hilfsangebote vor. Kritik daran kommt aus der Opposition, die bezweifelt, dass für betroffene Kinder und Jugendliche wirklich Verbesserungen erreicht werden.

«Mit der Beschlussfassung heute im Kabinett bringen wir eines unserer Flaggschiff-Projekte im Kinder- und Jugendbereich auf den Weg», sagte Giffey. Es gehe um mehr als eine Million Kinder und Jugendliche in Deutschland, die in einem schwierigen Umfeld aufwachsen, belastenden Situationen ausgesetzt sind oder drohen, von der sozialen Teilhabe abgehängt zu werden. Mit dem Gesetz ermöglichen wir jetzt wichtige Verbesserungen für sie.» Die Pläne müssen aber zuerst noch durch Bundestag und Bundesrat.

Vorgesehen ist beispielsweise, dass Heime künftig jederzeit unangemeldet und ohne Anlass kontrolliert werden können. Kinderärzte, die sich bei einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, sollen vom Amt in Zukunft auch eine Rückmeldung bekommen, wie es mit dem Kind und der Familie weitergeht. Bundesweit ist darüber hinaus die Einrichtung von Ombudsstellen geplant, an die sich Eltern und Kinder bei Beschwerden über Entscheidungen von Jugendämtern wenden können. Kinder und Jugendliche sollen außerdem einen eigenen Beratungsanspruch gegenüber dem Jugendamt bekommen, ohne Kenntnis der Eltern, etwa wenn diese suchtkrank sind.

«Kinder aus suchtbelasteten Familien brauchen unsere Unterstützung und die sollen sie in Zukunft früher und zielgenauer erhalten», sagte die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU). Ihren Angaben zufolge leben etwa drei Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland mit mindestens einem suchtkranken Elternteil zusammen. In den meisten Fällen geht es demnach um Alkoholabhängigkeit. Viele der betroffenen Kinder würden später selbst suchtkrank oder erlitten eine andere psychische Erkrankung.

Kritik an den Plänen kam unter anderem von der Linken. «Das sogenannte Kinder und Jugendstärkungsgesetz ist geprägt von einem institutionellen Misstrauen gegenüber Familien und Fachkräften», sagte der kinder- und jugendpolitische Sprecher der Linksfraktion im Bundestag, Norbert Müller. Er sprach von einem «unübersichtlichen Gesamtpaket», dessen Vorhaben für «die eigentlichen Adressaten des Gesetzes» nicht zu besseren Lebensbedingungen beitragen würden.

Von der FDP gab es Kritik an einem anderen Punkt: Geplant ist, dass Jugendliche, die in einer Betreuungseinrichtung untergebracht sind und sich in einem Nebenjob etwas hinzuverdienen, künftig mindestens drei Viertel ihres Verdienstes behalten dürfen. Nur maximal 25 Prozent des Verdienstes darf den Plänen zufolge künftig für die Beteiligung an den Unterbringungskosten herangezogen werden. Bisher sind es 75 Prozent. Der Kostenbeitrag müsse vollständig abgeschafft werden, forderte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Katja Suding. «Ein Pflegekind lernt durch die Abgabe seiner Einkünfte an das Jugendamt vor allem eines: Ausbildung und Arbeit lohnen sich nicht.»

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