Die einschneidenden staatlichen Corona-Beschränkungen müssen nach Einschätzung von Gesundheitsminister Jens Spahn auch nach Fristablauf am 10. Januar zumindest teilweise verlängert werden.
Bei der Eindämmung der Pandemie sei Deutschland «bei weitem noch nicht da, wo wir hin müssen», sagte der CDU-Politiker am Dienstagabend in den ARD-«Tagesthemen». Deshalb werde es nach dem 10. Januar «ohne Zweifel Maßnahmen geben». In welchem Umfang, müssten Bund und Länder bei ihrer geplanten Konferenz am kommenden Dienstag entscheiden.
Der verschärfte Lockdown mit strengen Kontaktbeschränkungen, der Schließung der meisten Geschäfte, Schulen und Kitas sowie der schon länger geltenden Schließung von Restaurants, Theatern, Museen und anderen Freizeiteinrichtungen gilt zunächst bis zum 10. Januar. Am 5. Januar wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten beraten, wie es anschließend weiter geht.
Zu den Problemen bei der Terminvergabe für die Corona-Impfung sagte Spahn, zu Beginn ließen sich Wartezeiten in den Telefonleitungen leider nicht vermeiden. Er könne nur um Verständnis und Geduld bitten. Da jedes Bundesland ein anderes System habe, herrsche «etwas föderales Durcheinander».
Spahn trat erneut dem Eindruck entgegen, der Rest der Welt habe ganz viel Impfstoff und Deutschland habe weniger. «Wir beginnen alle unter den Bedingungen der Knappheit», sagte er.
Die Debatte, ob Corona-Geimpfte bestimmte Privilegien wie etwa Zutritt zu Restaurants erhalten sollen, nannte Spahn «durchaus richtig und wichtig», wie er bei «Bild live» sagte. Der privat-gewerbliche Bereich habe in dieser Frage mehr Spielraum. Nach seinem juristischen Verständnis wäre etwa eine Pizzeria nur für Geimpfte «das, was möglich ist».
Im öffentlichen Bereich und bei der Daseinsvorsorge, also etwa in Krankenhäusern, Rathäusern oder dem öffentlichen Nahverkehr, könne man aus seiner Sicht aber keinen Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften machen.
Er fügte hinzu, dass unklar sei, ob Geimpfte weiterhin andere anstecken könnten. Das mache «einen ganz entscheidenden Unterschied». Er empfehle, die Erkenntnisse dazu abzuwarten.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, rechnet damit, dass die Bereitschaft für eine Corona-Impfung in den kommenden Monaten steigt. «Für Geimpfte verliert die Pandemie ihren Schrecken, sie werden sich besser fühlen und entspannter sein. Das wird ansteckend sein, aber im positiven Sinne», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für eine Herdenimmunität ist mindestens eine Impfquote zwischen 65 und 70 Prozent nötig.
Der Ärztepräsident riet dazu, die Abstands- und Hygienevorschriften in Kraft zu lassen. «Solange nicht jeder, der geimpft werden will, ein Vakzin bekommen kann, müssen weiter Schutzregeln eingehalten werden – auch von den Geimpften», sagte er. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass Geimpfte nicht mehr ansteckend seien. Doch möglicherweise bestehe ein Restrisiko. «Hier müssen wir unbedingt weitere wissenschaftliche Erkenntnisse gewinnen.»
Wenn genügend Impfstoff zur Verfügung steht, dürfen Impfgegner nach Ansicht von Reinhardt aber nicht mehr mit der Rücksichtnahme der Gesellschaft rechnen. «Sie müssen mit dem Risiko leben, unter Umständen auch schwer an Covid-19 zu erkranken. Sie können die Gesellschaft nicht in Geiselhaft nehmen», sagte der Ärztepräsident.
Reinhardt forderte die Bundesregierung und Länderchefs überdies auf, bei der Entscheidung über eine Verlängerung des harten Lockdowns die Zielmarke von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner pro Woche zu überdenken. «Ob wir uns strikt an der Inzidenz von 50 orientieren, muss man mit Blick auf andere wichtige Faktoren, wie zum Beispiel die psychosozialen Folgen der Schulschließungen, genau abwägen», sagte Reinhardt.
Flankierend zu den Impfungen seien bundesweit einheitliche Maßnahmen zur Kontaktminimierung gerade für ältere und vorerkrankte Menschen nötig, meinte er. «Warum ist es so schwer, deutschlandweit feste Senioren-Zeitfenster für Einkäufe im Einzelhandel zu schaffen oder spezielle Terminslots in öffentlichen Einrichtungen?» Der Ärztepräsident forderte zudem nicht nur für Pflegeheime, sondern auch für pflegende Angehörige ausreichende Testmöglichkeiten und Schutzmaterial.
Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung appellierte an alle Pflegekräfte hierzulande, sich gegen Corona impfen zu lassen. Je mehr Menschen geimpft werden, desto weniger Wirte finde das Virus und die Ausbreitung werde eingedämmt, sagte Andreas Westerfellhaus der «Rheinischen Post». «Und ich bin mir sicher, dass diese Einsicht auch die meisten Pflegekräfte haben und sich impfen lassen», sagte er. In Alten- und Pflegeheimen sterben zurzeit sehr viele Menschen an oder mit Covid-19.
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wies darauf hin, dass Pflegepersonal auch zur Impfung gezwungen werden könnte – ohne sich diese Forderung allerdings zu eigen zu machen. «Mit dem Infektionsschutzgesetz gäbe es zwar eine rechtliche Grundlage dafür, dass Altenheime und Krankenhäuser ihr Personal zu einer Impfung zwingen. Aber die Bundesregierung hat versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Dabei wird es bleiben, und das ist auch richtig», sagte Lauterbach der «Rheinischen Post».
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