Etappensieg für Demokraten bei Kampf um Mehrheit im Senat

Die Stichwahlen in Georgia um zwei Senatssitze haben Folgen für das ganze Land. Die Demokraten des gewählten Präsidenten Biden können dort nun einen wichtigen Erfolg verbuchen. Alles hängt nun vom Ausgang der zweiten Abstimmung ab.

Die Demokraten des künftigen US-Präsidenten Joe Biden haben bei entscheidenden Stichwahlen über die Mehrheitsverhältnisse im US-Senat einen Etappensieg erzielt.

Bei einer von zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia für den Senat setzte sich der Kandidat Raphael Warnock gegen die republikanische Amtsinhaberin Kelly Loeffler durch, wie am Mittwochmorgen (Ortszeit) aus Prognosen von Fernsehsendern und der Nachrichtenagentur AP hervorging.

Sollten die Demokraten auch die zweite Stichwahl gewinnen, hätten sie de facto die Mehrheit im Senat. Sie dominieren bereits das Abgeordnetenhaus, die andere Kongresskammer.

Die zweite Stichwahl wurde allerdings zur Zitterpartie. Dort lag am Mittwochmorgen der Demokrat Jon Ossoff knapp vor dem republikanischen Amtsinhaber David Perdue. Nach Auszählung von rund 4,4 Millionen oder rund 98 Prozent der Stimmen lag Perdue am Dienstagmorgen um 9527 Stimmen vorne. Erwartet wurde, dass der Vorsprung zunimmt, weil die verbleibenden Stimmen eher aus demokratisch geprägten Bezirken kommen.

Das Ergebnis dieser Stichwahl könnte sich allerdings verzögern: In Georgia hat der unterlegene Kandidat das Recht, eine Neuauszählung einzufordern, wenn sich der Abstand der Stimmenzahl zum Sieger auf 0,5 Prozent oder weniger beläuft. Perdues Wahlkampfteam teilte mit, für ein faires Ergebnis würden «Zeit und Transparenz» benötigt. Man werde alle rechtlichen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass alle Stimmen ordnungsgemäß gezählt worden seien. Der abgewählte US-Präsident Donald Trump hatte für Perdue und Loeffler geworben.

Warnock bedankte sich bereits kurz vor den Siegesmeldungen der US-Medien bei den Wählern. «Ich fühle mich geehrt durch das Vertrauen, das Sie in mich gesetzt haben. Und ich verspreche Ihnen heute Abend: Ich werde in den Senat gehen, um für ganz Georgia zu arbeiten. Egal, für wen Sie bei dieser Wahl, in diesem Moment der amerikanischen Geschichte Ihre Stimme abgegeben haben.»

Vom Ausgang der beiden Stichwahlen hängt ab, ob die Demokraten doch noch die Kontrolle über den Senat erringen können. Den Republikanern des abgewählten Präsidenten Donald Trump reicht ein weiterer Sitz, um die Mehrheit in der Parlamentskammer knapp zu behalten. Die Demokraten müssen beide Sitze erobern, um de facto die Kontrolle zu erlangen. Dann käme es in der Kammer zu einem Patt, das die künftige US-Vizepräsidentin Kamala Harris – die zugleich Präsidentin des Senats sein wird – mit ihrer Stimme auflösen könnte.

Der Senat bestätigt unter anderem Kandidaten des Präsidenten für hohe Regierungsposten oder das Oberste Gericht und kann Gesetzesvorhaben blockieren. Der künftige Präsident Biden könnte seine Ziele erheblich leichter verwirklichen, wenn die Demokraten nicht nur im Repräsentantenhaus, sondern auch im Senat eine Mehrheit hätten. Biden soll am 20. Januar vereidigt werden.

Zwei Wochen vor der Vereidigung steht am Mittwoch der wohl letzte große Showdown im Gezerre um den Ausgang der Präsidentenwahl an. Bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat (ab 19 Uhr MEZ) soll das Wahlergebnis endgültig bestätigt werden. Zahlreiche republikanische Abgeordnete und Senatoren planen aber – angetrieben durch unbelegte Betrugsbehauptungen Trumps – eine Störaktion, die für parteiinterne Verwerfungen sorgt und die formalen Abläufe erheblich in die Länge ziehen dürfte.

Trump hatte die Präsidentenwahl Anfang November mit deutlichem Abstand gegen seinen demokratischen Herausforderer Biden verloren. Trump weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Er behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder Trump noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.

Die Wahlleute aus den Bundesstaaten haben Bidens klaren Sieg bestätigt. Der Demokrat kam auf 306 der 538 Stimmen – 36 mehr als erforderlich. Für Trump stimmten 232 Wahlleute.

Im formalen Nach-Wahl-Prozedere der USA ist vorgeschrieben, dass die Ergebnisse aus den einzelnen Bundesstaaten im Kongress verlesen, gezählt und am Ende bestätigt werden müssen. Dann ist amtlich, wer die Wahl gewonnen hat. Es ist der Endpunkt eines langen formalen Aktes vor der Vereidigung eines neuen Präsidenten.

Üblicherweise ist es eine Formalie. Diesmal sind jedoch massive Verzögerungen und Turbulenzen zu erwarten. Republikaner aus beiden Kongresskammern haben angekündigt, bei der Prozedur Einspruch gegen Ergebnisse einzelner Staaten einzulegen. Aus dem Repräsentantenhaus könnten sich nach internen Schätzungen mehr als 100 Abgeordnete beteiligen, sekundiert von mindestens 13 Republikanern aus dem Senat.

Jeder Einspruch muss schriftlich eingereicht werden – von mindestens einem Abgeordneten aus dem Repräsentantenhaus und mindestens einem Senator. Damit lässt sich erzwingen, dass sich beide Kongresskammern zu getrennten Sitzungen zurückziehen müssen, um die Einwände zu debattieren und am Ende abzustimmen, ob sie diesen folgen oder nicht. Das Prozedere könnte sich deshalb nach deutscher Zeit bis weit in den Donnerstag ziehen.

Die Störaktion hat keine Aussicht darauf, etwas am Wahlausgang zu ändern. Beide Kongresskammern müssten einem Einspruch gegen ein Ergebnis zustimmen, was angesichts der Mehrheit der Demokraten im Repräsentantenhaus als ausgeschlossen gilt. Die Aktion dürfte die Abläufe aber immens stören und viel Aufmerksamkeit für Trumps unbelegte Betrugsbehauptungen schaffen. Parallel sind tagsüber Proteste von Trump-Anhängern in Washington geplant, bei denen sich der abgewählte Präsident direkt an seine Unterstützer wenden will.

Die Demokraten kritisierten die geplante Störaktion im Kongress als zutiefst undemokratisch. Aber auch in der Republikanischen Partei stößt das Vorhaben auf viel Kritik. Die republikanische Führung im Senat hatte sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen. Diverse hochrangige Republikaner werteten das Vorhaben als gefährlich.

Geleitet wird die Sitzung vom amtierenden US-Vizepräsidenten Mike Pence. Trump erhöhte den Druck auf seinen Stellvertreter, in dieser Rolle einzugreifen, um das Ergebnis doch noch zu kippen. «Wenn Vizepräsident Mike Pence sich für uns einsetzt, werden wir die Präsidentschaft gewinnen», schrieb Trump in der Nacht zu Mittwoch auf Twitter. Bereits zuvor hatte Trump behauptet, der Vizepräsident habe die Befugnis, auf «betrügerische» Weise ausgewählte Wahlleute abzulehnen. Das Gesetz sieht für Pence bei der Zusammenkunft jedoch lediglich eine zeremonielle Rolle vor.

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