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Chaos in Washington: Proteste von Trump-Anhängern eskalieren

Donald Trump heizt seine Anhänger mit Behauptungen zu angeblichem Wahlbetrug an. Kurz darauf kommt es zu nie da gewesenen Szenen und einem Gewaltausbruch am Parlamentssitz der USA. Eine Frau stirbt.

Proteste aufgebrachter Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump in der Hauptstadt Washington sind am Mittwoch eskaliert und haben das politische Zentrum der USA ins Chaos gestürzt.

Nach einer einheizenden Rede des Republikaners marschierten Trump-Unterstützer vor dem Kapitol auf, dem Sitz des US-Parlaments, um gegen die Zertifizierung der Präsidentschaftswahlergebnisse zu protestieren. Randalierer stürmten das Kongressgebäude. Die beiden Kongresskammern mussten ihre Sitzungen unterbrechen, Parlamentssäle wurden geräumt, Abgeordnete in Sicherheit gebracht. Bei den Unruhen kam eine Frau ums Leben – die Hintergründe waren zunächst unklar.

Die Frau war laut Polizei nach dem Eindringen von Trump-Unterstützern im US-Kapitol angeschossen worden und starb wenig später. Eine Polizeisprecherin bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Mittwochabend (Ortszeit) den Tod der Frau. Der Sender NBC berichtete unter Berufung auf Sicherheitskräfte auch von mehreren Verletzten.

Auf Bildern des Senders CNN war zu sehen, wie Randalierer Fensterscheiben zerschlugen, sich so Zugang zum Gebäude verschafften und auch in Abgeordnetenbüros eindrangen. Auf einem anderen Bild posierte ein Demonstrant im geräumten Senatssaal mit erhobener Faust auf dem Platz des Kammervorsitzenden.

Erst nach mehreren Stunden brachten Sicherheitskräfte die Lage am Parlamentssitz wieder unter ihre Kontrolle. Das Kapitol sei wieder gesichert, berichtete die Nachrichtenagentur AP am frühen Mittwochabend (Ortszeit) unter Berufung auf zuständige Beamte.

Etwa zeitgleich trat in Washington eine Ausgangssperre bis zum frühen Donnerstagmorgen in Kraft. Auch für die angrenzenden Städte Arlington und Alexandria wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt.

Abgeordnete, die sich in Sicherheit gebracht hatten, meldeten sich über soziale Medien oder per Telefonschalten im nationalen Fernsehen zu Wort. Der republikanische Abgeordnete Adam Kinzinger etwa nannte die Vorgänge bei CNN «ekelhaft» und «absolut verabscheuungswürdig». Mehrere demokratische Kongressabgeordnete forderten ein erneutes Amtsenthebungsverfahren gegen Trump, den persönlich direkt für die Eskalation verantwortlich machten.

Der künftige US-Präsident Joe Biden sprach von einem Angriff auf die Demokratie. «Das Kapitol zu stürmen, Fenster einzuschlagen, Büros zu besetzen, den Senat der Vereinigten Staaten zu besetzen, durch die Schreibtische des Repräsentantenhauses im Kapitol zu wühlen und die Sicherheit ordnungsgemäß gewählter Beamter zu bedrohen, ist kein Protest», sagte Biden. «Es ist Aufruhr.»

Auch international lösten die Unruhen Besorgnis aus. Regierungschefs anderer Länder äußerten sich schockiert über die Ausschreitungen.

Im Kapitol hatten sich das Repräsentantenhaus und der Senat am Mittwochmittag (Ortszeit) versammelt, um die Ergebnisse der US-Präsidentenwahl vom November – und Bidens Sieg – offiziell zu bestätigen. Tausende Trump-Anhänger strömten in die US-Hauptstadt, um gegen die Zertifizierung des Wahlausgangs zu protestieren.

Trump hatte die Wahl mit deutlichem Abstand gegen den demokratischen Herausforderer Biden verloren. Er weigert sich aber, seine Niederlage einzugestehen. Trump behauptet, er sei durch massiven Betrug um den Sieg gebracht worden. Weder er noch seine Anwälte legten stichhaltige Beweise dafür vor. Dutzende Klagen des Trump-Lagers wurden bislang von Gerichten abgeschmettert, auch vom Obersten US-Gericht.

Kurz vor dem Start der Kongresssitzung war Trump nahe dem Kapitol vor seinen Anhängern aufgetreten, hatte unbelegte Wahlbetrugsbehauptungen wiederholt und seine Unterstützer aufgerufen, zum Kapitol zu ziehen. Sie dürften sich den «Diebstahl» der Wahl nicht gefallen lassen.

Nachdem zahlreiche Politiker eindringlich an Trump appelliert hatten, den Gewaltausbruch zu stoppen, veröffentlichte der Präsident auf Twitter eine Videobotschaft, in der er seine Anhänger aufrief abzuziehen. Er verstehe den Ärger über den Ausgang der Wahl, «aber ihr müsst jetzt nach Hause gehen», sagte Trump in dem Clip. «Wir müssen Frieden haben, wir müssen Recht und Ordnung haben.» Niemand dürfe verletzt werden, mahnte er. Zugleich sagte er an die Adresse seiner Anhänger: «Wir lieben euch. Ihr seid etwas ganz Besonderes.»

Später schrieb er in einem weiteren Tweet, solche «Dinge und Geschehnisse» passierten eben, wenn ein Erdrutschsieg gestohlen werde. «Erinnert Euch für immer an diesen Tag!», schob er nach.

US-Vizepräsident Mike Pence machte dagegen auf Twitter klar, dieser «Angriff» auf das Kapitol werde nicht toleriert. Die Beteiligten würden «mit der ganzen Härte des Gesetzes zur Verantwortung gezogen».

Pence hatte die Kongresssitzung vor der Unterbrechung geleitet. Trump hatte ihn direkt dazu aufgerufen, sich gegen die Zertifizierung des Wahlergebnisses zu stellen – entgegen den gesetzlichen Vorgaben. Pence wies dieses Ansinnen jedoch zurück.

Die Zertifizierung der Wahlergebnisse ist in den USA üblicherweise eine Formalie. Diverse Republikaner hatten jedoch vorab eine politische Störaktion angekündigt, bei der sie Einspruch gegen Ergebnisse aus mehreren US-Staaten einlegen wollten. Trump wiederum hatte über Wochen diesen Tag der Kongresssitzung – ohne jegliche Grundlage – als letzte Möglichkeit dargestellt, den Wahlausgang noch umzustürzen. Tatsächlich ist am Wahlausgang aber nicht zu rütteln. Auch die politische Störaktion der Republikaner hatte von Anfang an keine Aussicht auf Erfolg. Mehrere hochrangige Republikaner hatten die geplante Aktion ihrer Parteikollegen und Trumps andauernden Feldzug gegen den Wahlausgang als gefährlich kritisiert.

Die Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, verkündete nach der Räumung des Kapitols von Protestierenden, dass die zuvor begonnene Zertifizierung des Präsidentschaftswahlergebnisses noch im Laufe des Mittwochabends (Ortszeit) fortgesetzt werde. Man habe beschlossen, mit der Sitzung weiterzumachen, sobald der Kongresssitz wieder dafür freigegeben sei. Diese Entscheidung sei in Absprache mit dem Verteidigungs- und Justizministerium sowie mit Trumps Vize Pence getroffen worden.

Biden soll am 20. Januar vereidigt werden. Er kann darauf hoffen, künftig beide Kammern im Kongress hinter sich zu haben. Die Demokraten sicherten sich Prognosen von US-Medien zufolge mit Siegen bei zwei Stichwahlen im Bundesstaat Georgia auch die Kontrolle im US-Senat, wie am Mittwoch inmitten der Turbulenzen bekannt wurde. Der demokratische Kandidat Jon Ossoff setzte sich gegen den bisherigen republikanischen Amtsinhaber David Perdue durch. Zuvor war der Demokrat Raphael Warnock bereits zum Sieger im Rennen gegen die republikanische Noch-Senatorin Kelly Loeffler ausgerufen worden.

Mit einer faktischen Mehrheit im Senat kann Biden vor den nächsten Kongresswahlen in zwei Jahren durchregieren – vorausgesetzt, die Demokraten im Kongress ziehen an einem Strang. Im Repräsentantenhaus stellen die Demokraten bereits die Mehrheit.

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