«Impfgipfel» von Bund und Ländern hat begonnen

Es ist zumindest ein kleiner Schritt: Nach massiver Kritik sagt Astrazeneca zu, der EU doch mehr Impfstoff zu liefern als angekündigt. In Deutschland hat die Kanzlerin zu einem Spitzentreffen geladen. Doch große Hoffnungen auf schnelle Ergebnisse gibt es nicht.

Nach wochenlangen Problemen bei der Lieferung von Corona-Impfstoff sind Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder zu einem «Impfgipfel» zusammengekommen.

An der Videokonferenz nehmen auch mehrere Bundesminister, Vertreter der Impfstoffhersteller sowie der EU-Kommission teil. Letztere kauft die Vakzine für die gesamte Europäische Union bei verschiedenen Produzenten ein.

Die Impfungen gegen das Coronavirus hatten in Deutschland und der EU kurz vor dem Jahreswechsel begonnen. Begleitet waren die ersten Wochen von Lieferschwierigkeiten einzelner Hersteller, Problemen bei der Terminvergabe und viel Unmut über fehlenden Impfstoff. Mehrere Ministerpräsidenten sowie Verbände wie der Deutsche Städtetag forderten zuletzt vehement Klarheit über Menge und Zeitpunkt der Impfstoff-Lieferungen, damit etwa Impfzentren besser planen könnten. Kurz vor dem «Impfgipfel» stellten Hersteller zusätzliche Lieferungen in Aussicht.

Die Lieferungen von Corona-Impfstoff für Deutschland sollen im Laufe des Jahres deutlich anziehen, wie aus einer neuen Übersicht des Bundesgesundheitsministeriums hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Nach 18,3 Millionen Impfdosen im laufenden ersten Quartal könnten demnach laut einer aktuellen Schätzung im zweiten Quartal voraussichtlich 77,1 Millionen Dosen und im dritten Quartal 126,6 Millionen Dosen verschiedener Hersteller folgen. Im vierten Quartal könnten es dann weitere 100,2 Millionen Dosen sein.

Zahlreiche Politiker und Verbandsvertreter haben mehr Klarheit über Zeitpläne, Prioritäten für Bevölkerungsgruppen und verfügbare Impfstoffe gefordert. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) plädierte in einem Brief an Merkel für einen «nationalen Impfplan».

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte vor übertriebenen Erwartungen: «Wir können durch einen Gipfel alleine noch nicht mehr Impfstoffe produzieren», sagte er am Sonntagabend in der Talkshow «Die richtigen Fragen» auf Bild live. Wichtig sei, dass man zunächst ein einheitliches Bild bekomme, wo die Schwierigkeiten lägen. Die Bundesregierung könne den Ländern auch nur die Lieferdaten und -mengen nennen, die sie von den Herstellern bekomme.

Auch der Verband der deutschen Pharma-Unternehmen dämpfte die Hoffnung auf schnelle Lösungen. «Eine Impfstoff-Fabrik ist kein Bücherregal aus dem Möbelhaus, das man schnell aufbauen kann», sagte der Präsident des Verbandes forschender Arzneimittelhersteller, Han Steutel, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag). «Wäre es so, hätten wir es doch längst gemacht.» Für die komplexe Herstellung von Impfstoffen seien geeignete Produktionsanlagen und qualifiziertes Personal nötig.

Spahn wandte sich auch gegen Forderungen, Impfstoff-Hersteller zur Vergabe von Lizenzen zu zwingen. Das mache nur dann Sinn, wenn die Firmen nicht kooperieren würden – was aber nicht der Fall sei. Wirtschaftsminister Peter Altmaier schloss staatliche Eingriffe nicht generell aus. Bisher arbeiteten viele Pharmaunternehmen freiwillig zusammen, sagte der CDU-Politiker in der ARD-Talkshow «Anne Will». «Sollte es aber Fälle geben, wo ein Unternehmen aus Egoismus sagen würde, wir haben solche Anlagen, helfen aber nicht mit, dass das Nachbarunternehmen dort seinen Impfstoff produzieren kann – dann müssen wir natürlich auch über strengere Maßnahmen nachdenken.»

Der britisch-schwedische Konzern Astrazeneca hatte vor gut einer Woche überraschend mitgeteilt, im ersten Quartal statt 80 Millionen nur 31 Millionen Dosen Impfstoff an die EU-Staaten zu liefern. Die EU reagierte empört und setzte die Firma unter Druck, die Lieferkürzung zurückzunehmen. Das soll laut von der Leyen nun zumindest zum Teil geschehen. Außerdem will der Konzern ihren Angaben zufolge eine Woche früher mit der Lieferung beginnen als geplant.

Nach den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna ist das Präparat von Astrazeneca seit Freitag als drittes in der EU für Erwachsene ohne Altersbegrenzung zugelassen. In Deutschland empfiehlt die Ständige Impfkommission das Mittel aber nur für Erwachsene unter 65 Jahren. Spahn will deshalb die Impfverordnung ändern. Die Änderung solle ab dem 8. Februar in Kraft treten, sagte er im ZDF.

SPD-Chef Norbert Walter-Borjans übte scharfe Kritik an den Herstellern von Corona-Impfstoffen. «Ich bin schockiert über den Mangel an Sensibilität und Verantwortungsbewusstsein bei einigen Herstellern. Es geht hier nicht um Schokolade, sondern um ein Produkt, an dem Existenzen und der Zusammenhalt der Gesellschaft hängen», sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Montag).

Trotz der Lieferengpässe sieht von der Leyen die EU auf dem richtigen Weg. Inzwischen seien zwölf Millionen Menschen in der Europäischen Union geimpft worden, das sei eine «stattliche Zahl» im Verhältnis zu den rund 370 Millionen erwachsenen EU-Bürgern, sagte sie im ZDF-«heute journal». Ziel der EU sei es, dass bis zum Ende des Sommers 70 Prozent der Erwachsenen geimpft seien. «Wenn wir das geschafft haben, ist das eine gewaltige Leistung.»

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