Für Armin Laschet ist es eine echte Premiere. Der erste Koalitionsausschuss seit Monaten wird auch sein allererstes Treffen in diesem Kreis sein.
Auf den nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten wartet in diesem Superwahljahr ein ganz besonderer Spagat. Zuallererst muss er dafür sorgen, dass der Berliner Koalitionsmotor möglichst geschmeidig weiterläuft, damit sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ohne Störfeuer um die Corona-Krise und die – wann auch immer beginnende – Zeit danach kümmern kann.
Darüber hinaus muss aber gerade Laschet klare Kante zeigen, will er sich für eine Kanzlerkandidatur in der Union empfehlen. Denn noch sehen die Menschen im Land einen anderen Unionspolitiker mehrheitlich als deutlich besser geeignet dafür an – Markus Söder. Und das, obwohl sich der CSU-Chef noch nie zu möglichen Ambitionen in diese Richtung geäußert hat. So dürften sie nicht nur in CDU und CSU genau hinsehen, wer im Koalitionsausschuss den Ton für die Union angibt und wer welche Themen (durch)setzt.
Und dann sitzt mit der SPD auch noch eine Partei mit am Tisch, für die es bei der Bundestagswahl am 26. September – und bei den Landtagswahlen zuvor – einmal mehr ums Ganze geht. Mit Umfragewerten von aktuell 15, 16 Prozent stehen die Sozialdemokraten nochmals deutlich schlechter da als mit ihren 20,5 Prozent bei der Wahl 2017.
Um in der Bürgergunst zu klettern, werden sich die SPD-Chefs Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken sowie Kanzlerkandidat Olaf Scholz ordentlich ins Zeug legen müssen. Auch für sie geht es um einen Spagat: Einerseits müssen sie zeigen, dass sich sozialdemokratisches Mitregieren lohnt – und gleichzeitig wollen sie sich acht Monate vor der Wahl doch auch verstärkt von der Union abgrenzen.
Genau in dieser Gesamtgemengelage sehen viele Beobachter die eigentliche Krux: Wie soll eine seit Jahren ungeliebte Koalition in einer solchen Situation noch die Kraft für wichtige Entscheidungen aufbringen, wenn jeder Beteiligte für jeden Kompromiss Nachteile befürchten muss? Ironische Stimmen in der Koalition sehen es schon als den eigentlichen Erfolg, dass sich diese Frage zum Jahresanfang überhaupt stellt. Immerhin habe die GroKo am Ende doch die gesamte Wahlperiode durchgehalten. Und noch etwas wird augenzwinkernd erwähnt: Wohl noch nie haben in einer Legislaturperiode alle Koalitionsparteien ihre Vorsitzenden durchgewechselt.
Helfen dürfte es, dass sich alle Beteiligten schon lange aus verschiedenen Rollen und Ämtern kennen. Söder und Laschet, die beide ein Interesse daran haben dürften, die Union weiter als geschlossen zu präsentieren. Walter-Borjans und Laschet, deren Verhältnis nach vielen gemeinsamen Düsseldorfer Jahren als ungetrübt gilt.
Was also geht noch in der vor Corona schon mehrfach für tot erklärten GroKo? Die Antwort auf diese Frage wird auch dadurch erschwert, dass zuletzt deutliche Spannungen zu erkennen waren. So hatte die SPD immer heftiger Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kritisiert und ihm einen Fragenkatalog zum Impfen vorgelegt, der manche in der Union an einen Untersuchungsausschuss erinnerte. Prompt handelte sich die SPD den Vorwurf ein, schon im Wahlkampf zu stecken. Der Impfgipfel am Montag konnte die Wogen nicht ganz glätten, Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) etwa übte weiter Kritik.
Früher wäre dies Stoff für einen Koalitionsausschuss gewesen. An diesem Mittwochabend steht das Thema dem Vernehmen nach nicht auf der Tagesordnung. Wohl aber die selbst für die SPD-Verteidigungspolitiker überraschende vorläufige Absage ihrer Parteiführung an die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. In der Union wird auch das bereits als Wahlkampf und als ein Baustein gewertet, um die Basis für eine grün-rot-rote Koalition nach der Bundestagswahl im Herbst zu schaffen. Dass die Union, die eigentlich keinen besonderen Bedarf für den Koalitionsausschuss sah, dort das Thema nun auf die Agenda gesetzt hat, dürfte dem abendlichen Treffen Zündstoff geben.
Weniger kontrovers könnte es bei anderen Themen zugehen: Die SPD hat wohl vor allem soziale Themen wie einen Corona-Kinderbonus und Hilfen für die Empfänger von Grundsicherung im Gepäck. Die Union will Unternehmen das Verrechnen von coronabedingten Verlusten mit Gewinnen aus Vorjahren erleichtern. Dagegen sperrt sich das SPD-geführte Bundesfinanzministerium schon länger.
Manche in der Union werfen der SPD bereits Umgangsformen vor, wie sie unter Regierungspartnern nicht vorkommen sollten – zumal in schweren Zeiten wie diesen. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt mahnte gar öffentlich Koalitionsdisziplin an: «Die Bundesregierung hat auch in einem Wahljahr im Arbeitsmodus zu bleiben, um die Krise zu bewältigen.»
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