Italien weiter auf Regierungssuche

Italiens bisheriges Regierungsbündnis ist Geschichte: In Rom sind sich die Streithähne nicht einig geworden. Eine neue Lösung muss her, vielleicht sogar mit einem alten Bekannten.

In Italien geht der Politik-Krimi in die nächste Runde: Nach dem Scheitern der Sondierungsgespräche für eine Neubelebung der alten Regierung will Staatspräsident Sergio Mattarella den früheren Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, treffen.

Draghi war seit einiger Zeit im Gespräch als Chef einer Expertenregierung in Italien. Dafür müsste sich eine Mehrheit der Parteien auf den 73-Jährigen einigen. Ein von ihm geführtes Kabinett müsste das Vertrauen in den beiden Parlamentskammern bekommen.

«Ich fühle mich verpflichtet, an alle im Parlament anwesenden politischen Kräfte zu appellieren, einer hochrangigen Regierung Vertrauen zu schenken, die sich mit keiner politischen Formel identifizieren sollte», hatte Mattarella am Dienstag in Rom verkündet. Die kommenden Monate seien entscheidend. «Dies bedarf einer Regierung in voller Funktionsfähigkeit», hatte er betont.

Mattarella sah nach dem Scheitern der Gespräche am Dienstag nach eigenen Worten zwei Auswege vor sich: vorgezogene Wahlen oder sofort eine neue Regierung ins Leben zu rufen. Er entschied sich für Letzteres, da Wahlen einen monatelangen Wahlkampf mit sich brächten, wofür Italien die Zeit fehle. Italien muss laut dem 79-jährigen einen Plan für milliardenschwere Mittel aus dem EU-Wiederaufbaufonds bis April bei der EU-Kommission vorlegen. Außerdem steckt das Land mitten in der Corona-Pandemie, die es in eine Wirtschaftskrise stürzen ließ und gravierende Probleme im Gesundheitssektor verstärkte.

Vor seiner Ansprache hatte der Staatschef den Präsidenten der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico, damit beauftragt, über das vergangene Wochenende eine mögliche neue Mehrheit der Parteien des bisherigen Mitte-Links-Bündnisses von Premier Giuseppe Conte auszuloten. Die populistische Fünf-Sterne-Bewegung, die Sozialdemokraten, die linke Partei Liberi e Uguali und die Partei Italia Viva von Ex-Premier Matteo Renzi wurden sich jedoch nicht einig.

So begann kurz nach dem Ende der Konsultationen bereits die Schlammschlacht der Parteien. Die Fünf-Sterne-Bewegung beschuldigte Renzi, es nur auf wichtige Ministerposten abgesehen zu haben. Umgekehrt warf die Italia Viva den Sterne-Politikern vor, sich keinen Schritt bei gewissen Streitthemen bewegt zu haben.

Eine Neuauflage der Koalition unter Conte war mit dem Votum Mattarellas vom Tisch. Conte hatte seinen Rücktritt am vergangenen Dienstag eingereicht, nachdem Renizs Italia Viva Mitte Januar im Streit um die Verwendung wichtiger EU-Hilfsgelder die Koalition verlassen hatte und die Regierung damit in eine Krise stürzte.

Mit Blick auf Draghi als möglichen Regierungschef ist nun die Frage, von welchen Seiten er Unterstützung bekommen wird. Die konservative Partei Forza Italia von Ex-Premier Silvio Berlusconi hatte zugesichert, die Entscheidungen Mattarellas zu respektieren. Von der Italia Viva war zu hören, dass eine Regierung unter Draghi eine der besten Optionen für die Republik wäre. Die rechten Parteien um die Lega des früheren Innenministers Matteo Salvini und die Fratelli d’Italia pochten weiter auf vorgezogenen Wahlen.

Erzielt eine möglicherweise von Draghi geführte Regierung nicht das Vertrauen im Parlament, könnte das wieder wahrscheinlicher werden.

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