Besserung für Stalking-Opfer? Verschärfungen geplant

Telefonterror. Eine E-Mail nach der anderen. Herumlungern vor der eigenen Haustür. Stalking kann Betroffenen das Leben zur Hölle machen. Justizministerin Lambrecht will beim Strafrecht nachbessern. Ist das der richtige Hebel?

Stalking-Opfer sollen nach Plänen von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht eine bessere rechtliche Handhabe gegen ihre Peiniger bekommen. «Der Straftatbestand der Nachstellung hat bisher zu hohe Hürden», erklärte die SPD-Politikerin am Mittwoch in Berlin.

Das zeige ein soeben im Kabinett verabschiedeter Bericht zur Auswertung der aktuellen Regelungen. «Ich möchte die Anwendung der Strafvorschrift erleichtern und die Strafbarkeitsschwellen senken.» Das Echo bei Experten auf Lambrechts Vorstoß: gemischt.

Stalking – oder Nachstellung, wie es im Strafgesetzbuch heißt – kann Opfern das Leben zur Hölle machen. «Stalker verfolgen, belästigen und bedrohen Menschen häufig Tag und Nacht, und das über lange Zeit. Die Übergriffe reichen bis hin zu körperlicher und sexualisierter Gewalt», sagte Lambrecht. Sie will in Kürze einen Gesetzentwurf mit Vorschlägen zur Verschärfung des Strafrechts vorlegen.

Demnach sollen künftig die Belästigungen durch einen Stalker im Strafgesetzbuch nicht mehr als «beharrlich» umschrieben werden, sondern als «wiederholt». Lambrecht will zudem das Strafmaß für besonders schwere Fälle von bis zu drei auf bis zu fünf Jahre erhöhen, wie sie der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Mittwoch) sagte. Die Anti-Stalking-Gesetzgebung war zuletzt 2017 angepasst worden.

Die Opferberatungs-Organisation Weißer Ring hält die Umformulierung für sinnvoll. «Beharrlich» sei ein unbestimmter Rechtsbegriff und damit für Strafverfolgungsbehörden und Gerichte schwer zu fassen, sagte Bundesgeschäftsführerin Bianca Biwer. «Wir hatten vorgeschlagen, fünf Vorkommnisse als Schwelle zu nennen, also eine konkrete Zahl. Aber „wiederholt“ wäre schon eine deutliche Verbesserung gegenüber der jetzigen Regelung.»

Die Hamburger Juristin Gül Pinar, Mitglied im Strafrechtsausschuss des Deutschen Anwaltvereins, hält vom Begriff «wiederholt» hingegen wenig: Da werde nur ein unbestimmter Begriff durch einen anderen ersetzt. «Das ist reiner Aktionismus.» Zumal es damit nur noch schwieriger werde, Stalking von ganz normalem Alltagsverhalten abzugrenzen.

Überhaupt ist Nachstellung ein verzwickter Tatbestand. Das Delikt ergibt sich erst aus einem Zusammenspiel vieler Einzelfälle, was die Strafverfolgung erschwert. «Ein einzelner Anruf des Täters beim Arbeitgeber ist noch keine große Sache, hundert Anrufe sind es aber schon», sagte Biwer.

Ohnehin sei nicht etwa das Strafrecht der beste Hebel im Schutz vor Stalking, argumentiert Anwältin Pinar. «Mit dem Gewaltschutzgesetz kann sich ein Opfer viel schneller schützen als mit den Mitteln des Strafrechts, wo es Jahre dauern kann bis zu einem Verfahren.» Auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes könnten Amtsgerichte mutmaßlichen Tätern die Kontaktaufnahme oder Annäherung untersagen – und zwar schon, wenn das Opfer eine Belästigung nur glaubhaft darlegen könne. «Beweise sind erst nötig, wenn der Täter den Beschluss anficht.»

Auch Biwer vom Weißen Ring betonte, es sei wichtig, dass schon etwas passiere, bevor es überhaupt zur Strafverfolgung komme. «Wenn die Polizei einen Täter aufsucht und ihn auf sein Verhalten anspricht, dann ist das in etwa 80 Prozent der Fälle wirksam.» Wichtiger als das Strafmaß seien zudem klare Rechtsvorschriften. «Von eklatanten Fehlurteilen mal abgesehen, ist es für Opfer vor allem wichtig, dass ein Gericht ihnen Recht gibt und dass das zeitnah passiert.»

Doch nur ein Bruchteil der Fälle dürfte überhaupt vor Gericht landen, Biwer geht von einer riesigen Dunkelziffer aus, viele Betroffene schämten sich. «Für die Opfer dauert es häufig eine Weile, bis sie erkennen, dass das, was ihnen passiert, kein normales Trennungsverhalten ist, das sie nun mal aushalten müssen», berichtete sie. «Häufig ist der Täter der Ex-Partner oder jemand, der enttäuscht ist, dass sich eine Beziehung nicht so ergibt wie erhofft. In 80 Prozent der Fälle sind die Täter Männer.»

Betroffenen rät Biwer, dem Täter auf seine Kontaktversuche nicht zu antworten. «Denn selbst eine negative Reaktion ist für den Täter besser als keine.»

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