Infektionsmediziner: Verlängerung der Auflagen angemessen

Bei der Diskussion um den verlängerten Lockdown wird immer wieder auf die ansteckenderen Corona-Varianten verwiesen. Die Verlängerung wäre aber auch so nötig, betont ein Experte.

Die am Mittwoch beschlossene Verlängerung der Corona-Auflagen ist nach Ansicht des Erlanger Infektionsimmunologen Christian Bogdan «grundsätzlich sinnvoll, notwendig und angemessen».

Das gelte mit Blick auf die Lage in Deutschland ganz unabhängig von den viel diskutierten Virusvarianten – von denen es ohnehin sicherlich wesentlich mehr gebe als die derzeit häufig genannten drei (britische, südafrikanische und brasilianische), sagte der Direktor des Instituts für Klinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der Universitätsklinik Erlangen. Er ist Mitglied der Ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (RKI) und der Nationalen Akademie für Wissenschaften Leopoldina.

Bei der Zahl der binnen sieben Tagen gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (Sieben-Tage-Inzidenz) befinde sich Deutschland noch nicht im grünen Bereich. «Auch ist klar, dass bei dem derzeit relativ strengen Winter Öffnungen aller Geschäfte und der Gastronomie in erster Linie zu einer Ansammlung der Menschen in geschlossenen Räumen führen würde, was der zentrale Schlüsselfaktor für die Virusweitergabe ist», erklärte Bogdan.

Essen und Trinken mit Maske sei nicht möglich und auch die Vorstellung, dass nur Menschen aus einem Haushalt an einem Esstisch im Restaurant sitzen, sei irreal und lasse sich kaum durchsetzen oder kontrollieren. «Hinzu kommt schließlich, dass eine ausreichende Durchimpfung der Bevölkerung noch viele Monate dauern wird, so dass die Hygiene (AHAL) mindestens bis zum Frühherbst der dominante Schutzfaktor bleiben wird.»

Die Öffnung der Friseure zum 1. März halte er für unkritisch, sagte Bogdan. Mit Terminvergaben als Grundbedingung, dem nötigen Abstand zwischen den Frisiertischen und mindestens OP-Masken bei Kunden und Personal sei das «völlig unproblematisch». Auch eine schrittweise Öffnung von Kitas und Schulen in Abhängigkeit von der lokalen Situation hält Bogdan für sinnvoll.

«Völlig überbewertet» wird aus seiner Sicht die Aussagekraft und die mögliche Rolle von Schnelltests bei der Pandemiebekämpfung. «Zum einen ist zu bedenken, dass bei der gegenwärtigen Inzidenz und der gleichzeitigen Annahme, dass circa drei bis vier Mal mehr Infektionen existieren, als de facto registriert werden, nur maximal einer von 2500 durchgeführten Tests ein richtig positives Ergebnis liefern wird», erklärte der Experte. «Gleichzeitig werden sich unter 2500 durchgeführten Antigen-basierten Schnelltests locker 25 falsch-positive Testreaktionen finden, was dann erst durch spezifische molekulare Tests geklärt werden kann.»

Hinzu komme, dass negativ getestete Menschen verleitet würden, die Schutzmaßnahmen zu vernachlässigen, obwohl die Sensitivität der Schnelltests durchaus begrenzt sei. «Schließlich ist zu berücksichtigen, dass vermeintliche einfache Schnelltests durchaus fehleranfällig sind, wenn eine sichere Handhabung nicht gewährleistet ist.»

Zu kurz gekommen seien seines Erachtens bei den Entscheidungen von Bundeskanzlerin und Länderchefs Regelungen bei Tätigkeiten, die der von Friseuren infektionsepidemiologisch vergleichbar sind. Die Öffnungsbedingungen für Friseure könnten jederzeit auf andere Berufssparten im Bereich der Körperpflege ausgedehnt werden. Ohne Risiko könnten die in Lebensmittelgeschäften, Apotheken, Drogerien, Postdienststellen und Fahrrad-/Auto-Reparaturwerkstätten geltenden Regeln zumindest auf kleine Einzelhandelsgeschäfte wie Schuhmacher, Juweliere und Parfümerien angewandt werden, «da dort ohnehin ein Massenandrang weder zu erwarten noch möglich ist».

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