Angesichts der von Bund und Ländern beschlossenen Lockdown-Verlängerung haben sich Wirtschaftsverbände enttäuscht gezeigt. Gastgewerbe, Mittelstand und Immobilienwirtschaft fehlen klare Perspektiven.
Der Mittelstand beklagte «unverbindliche Versprechungen» und der Handel vermisst den «versprochenen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown». Die Friseurbranche atmet jedoch auf – ab dem 1. März dürfen Friseurinnen und Friseure wieder Hand anlegen.
Harald Esser, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Friseurhandwerks, beschrieb die Stimmung so: «Eine ganze Branche atmet auf, endlich haben wir eine Perspektive und Planungssicherheit», sagte er am Mittwochabend. Für viele Inhaber der 80 000 Salons in Deutschland seien die Wochen der Schließung existenzbedrohend. Die Stimmung in der Branche sei angespannt gewesen, hieß es beim Verband, auch wegen einer Zunahme der Schwarzarbeit. Verdi-Chef Frank Werneke hält die Öffnungen im Friseurgewerbe für richtig.
Im Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) war die Stimmung deutlich gedämpfter: Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges bemängelte, dass es immer noch keine Öffnungsperspektive gebe: «Dass Hotels und Restaurants in dem vorliegenden Beschluss mit keinem Wort erwähnt werden, löst in der Branche Frust und Verzweiflung aus.»
Hartges sagte: «Wir haben nicht mit einem konkreten Öffnungsdatum gerechnet, aber definitiv mit einer Aussage, wann und unter welchen Voraussetzungen Hotels und Restaurants wieder Gäste empfangen dürfen.» Die Branche erwarte spätestens zu den nächsten Corona-Beratungen am 3. März einen abgestimmten Fahrplan für den Re-Start des Gastgewerbes.
Der Handelsverband Deutschland (HDE) warf der Politik Wortbruch vor. «Die Politik hat ihre Hausaufgaben nicht gemacht und bleibt in dieser für uns alle dramatischen Situation den vor Wochen versprochenen Plan zum Ausstieg aus dem Lockdown schuldig», klagte Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Viele Einzelhändler bringe das in eine ausweglose Lage. Jeder durch den Lockdown verlorene Verkaufstag kostet die Einzelhändler laut HDE Umsätze in Höhe von rund 700 Millionen Euro.
Die aktuell geltenden Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie werden grundsätzlich bis zum 7. März verlängert, wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefs der Länder am Mittwoch geeinigt hatten. Damit bleiben etwa Hotels und Kneipen weiter dicht. Sollte die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz – also Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche – bis dahin stabil unter 35 gesunken sein, sollen die Beschränkungen von den Ländern etwa im Einzelhandel schrittweise gelockert werden.
Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft kritisierte, es fehlte noch immer ein klarer Fahrplan für den «Lockoff» der Wirtschaft sowie ein Wirtschaftsgipfel mit Experten des Mittelstands, den Gewerkschaften und der Politik. «Wieder vertröstet die Bundesregierung den Mittelstand mit unverbindlichen Versprechungen und lässt diesen bettelnd am Tropf der Überbrückungshilfen hängen», sagte Bundesgeschäftsführer Markus Jerger.
Auch der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA), Spitzenverband der Immobilienwirtschaft, bemängelte eine weiterhin fehlende Perspektive für eine Öffnung des Handels. Ebenso der Bundesverband der Industrie (BDI) schlug in eine ähnliche Kerbe und kritisierte fehlende Aussichten. Gleichzeitig begrüßte BDI-Präsident Siegfried Russwurm – angesichts des gesteigerten Infektionsrisikos durch Mutationen – mit vorschnellen Lockerungen vorsichtig zu sein.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine klare Aussicht für die Unternehmen und Geschäfte gefordert. «Gerade für die Wirtschaft ist das natürlich katastrophal. Viele Unternehmen stehen am Rande ihrer Existenz und das wird sich in den nächsten Monaten natürlich dramatisch verschlechtern», sagte Präsident Marcel Fratzscher am Donnerstag im ZDF-«Morgenmagazin». Die Umsetzung der Wirtschaftshilfen sei zudem in der letzten Zeit «eigentlich eine Katastrophe» gewesen, die Gelder seien viel zu langsam geflossen: «Viele erhalten das Geld nicht und viele erhalten einfach zu wenig», sagte Fratzscher.
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