Streit um Corona-Impfstart in Praxen

Die Hoffnungen sind groß, dass das dichte Netz der Arztpraxen bald Schwung in die Corona-Impfungen bringen kann. Doch es gibt Ärger über den konkreten Übergang von den Impfzentren der Länder in die Fläche.

Die Praxisärzte fordern eine schnellere Einbeziehung in die Corona-Impfungen, um auf breiter Front mehr Tempo zu bekommen. «Wir sind nicht nur bereit, wir scharren seit Wochen ungeduldig mit den Hufen», sagte der Vorsitzende des Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, im Deutschlandfunk.

Es gehe darum, beim Durchimpfen der Bevölkerung endlich «tatsächliche Ergebnisse» zu haben. Nach einer Empfehlung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollen Impfungen in Praxen «frühestmöglich», aber spätestens in der Woche vom 19. April starten. Verfügbarer Impfstoff soll weiter zuerst an die bestehenden regionalen Impfzentren der Länder gehen.

Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, warnte am Donnerstag vor möglichen Verzögerungen bis in den Mai: «Wir befürchten, dass mit diesem Beschluss das wohnortnahe, flächendeckende und schnelle Impfen in den Praxen im April nicht mehr stattfinden wird. Wenn wir aber eines nicht haben, dann ist es Zeit.» Ein rasches Durchimpfen der Bevölkerung sei selbst mit aufgestockten Impfzentren nicht zu erreichen. «Das geht nur mit den Praxen: Fünf Millionen Impfungen in der Woche sind dort absolut machbar.»

Die KBV kritisierte, dass zuerst die Impfzentren Impfstoffe bekommen und dann die Praxen mit den übrig gebliebenen Resten folgen sollten. «Den Impfturbo können wir so noch nicht auf Straße bringen», sagte Gassen. Die Länder hätten das Verfahren unnötig verkompliziert. Hausärzte-Chef Weigeldt sagte: «Ich kann nicht verstehen, dass man sozusagen das Volk im Lockdown hält, anstatt zu impfen, um irgendwelche Impfzentren weiter zu bedienen.»

Der Fachminister-Empfehlung zufolge sollen die Impfzentren im April pro Woche mit 2,25 Millionen Dosen beliefert werden. Darüber hinaus verfügbare Impfstoffe sollen «frühestmöglich» an Praxen gehen. Im Bundesgesundheitsministerium hieß es, für einen Start in den Praxen brauche es eine gewisse wöchentliche Mindestmenge an Impfstoff. Um dem Wunsch der Länder entsprechen zu können, ihre Impfzentren wie bisher auszulasten, könnten die Praxen wohl erst Mitte April starten.

Über den Impfbeginn der Praxen entscheiden wollen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder. Dies soll laut Bundesregierung auf der Basis der Fachminister-Empfehlung «zeitnah» vor der nächsten Bund-Länder-Runde zum weiteren Corona-Vorgehen am 22. März geschehen. Der Vorsitzende der Länder-Gesundheitsmister, Klaus Holetschek (CSU) aus Bayern, hatte erläutert, es gehe um eine Zwei-Säulen-Strategie: «Wir binden ab April die Hausärzte ein, und wir halten an der bewährten Struktur der Impfzentren fest, die die Bundesländer in den vergangenen Monaten aufgebaut haben.»

Holetschek sagte, in der Anfangsphase im April werde noch nicht genügend Impfstoff zur Verfügung stehen, damit Ärzte im ganzen Land voll durchstarten könnten. «Aber wenn die Lieferungen so kommen, wie der Bund sie uns in Aussicht gestellt hat, dann können wir die Impfungen bei den Ärzten schnell hochfahren.» SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der «Rheinischen Post» (Donnerstag): «Es ist richtig, die Hausärzte in die Impfstrategie einzubinden, auch wenn sich dadurch das Impftempo wegen des Mangels an Dosen bis Ende April noch nicht wesentlich erhöhen lässt.»

Für den Start der Impfungen in Deutschland haben die Länder mehr als 400 Impfzentren eingerichtet. Hintergrund ist, dass Impfstoffe teils aufwendig zu kühlen sind. Außerdem soll die wegen zunächst knapper Impfstoffmengen eingeführte Reihenfolge für Impfungen so besser durchgesetzt werden. Auch für Impfungen in den Praxen sollen laut den Gesundheitsministern die generellen Impf-Priorisierungen gelten. Im April seien Praxen aufgefordert, schwerpunktmäßig nicht-mobile Patienten zu Hause und Menschen mit Vorerkrankungen zu impfen.

Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) sagte der «Bild» (Donnerstag), in den nächsten Wochen und Monaten würden viel mehr Impfdosen zur Verfügung stehen. «Im Sommer geht es um bis zu 10 Millionen Impfungen in der Woche – in den Impfzentren, in Arztpraxen und Betrieben.» Auch die Zahnärzte boten an, bei Impfungen zu unterstützen. Zahnärzte seien als approbierte Ärzte grundsätzlich dazu befähigt, sagte der Vorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV), Wolfgang Eßer, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag).

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