Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Geschäfte von einzelnen Unionspolitikern mit Corona-Schutzmasken als «schäbig» und «schändlich» verurteilt.
Diese Fälle persönlicher Bereicherung «sind Gift für die Demokratie», sagte er am Freitag bei einem digitalen Kongress der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Er rief «um der Demokratie willen» alle Parteien im Bundestag dazu auf, schnell und belastbar zu klären, ob weitere Fälle zu befürchten seien». Bei der Union gaben in der von der Fraktionsführung gesetzten Frist bis Freitagabend alle gut 240 Abgeordneten eine Erklärung ab, keine finanziellen Vorteile im Zusammenhang mit der Corona-Bekämpfung erzielt zu haben.
Steinmeier sagte: «Wer sein Mandat gezielt ausnutzt, um sich persönlich zu bereichern, der beschädigt nicht nur andere, die redlich ihre demokratische Arbeit tun. Der fügt der Demokratie Schaden zu.» Er sei sich mit Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) einig: «Wer so handelt, hat schlicht im Bundestag nichts verloren.»
Der Bundespräsident reagierte damit in ungewöhnlich scharfer Form auf die Fälle Nikolas Löbel und Georg Nüßlein, ohne diese allerdings beim Namen zu nennen. Der frühere CDU-Abgeordnete Löbel hat eingeräumt, dass seine Firma Provisionen von rund 250.000 Euro für das Vermitteln von Kaufverträgen für Corona-Schutzmasken erhalten hat. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob ein hinreichender Anfangsverdacht zum Einleiten eines Ermittlungsverfahrens gegeben ist. Gegen den Ex-CSU-Politiker Nüßlein wird bereits wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit ermittelt.
Löbel und Nüßlein haben jeweils ihre Partei verlassen. Löbel hat auch sein Bundestagsmandat niedergelegt, Nüßlein aber nur angekündigt, im Herbst nicht wieder für den Bundestag zu kandidieren.
Der Bundespräsident betonte, es gehe um sehr viel mehr als nur individuelles Fehlverhalten. «Es geht nicht nur um das Vertrauen in die Integrität Einzelner – es geht um das Vertrauen in die Integrität des Staates und seiner Institutionen.»
In der CDU/CSU-Fraktion hatten Fraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt alle Parlamentarier aufgefordert, bis Freitag 18.00 Uhr eine Art Ehrenerklärung abzugeben. Sie sollten bestätigen, aus dem Kauf oder Verkauf von Medizinprodukten während der Corona-Pandemie keine finanziellen Vorteile erzielt zu haben – weder direkt noch über Gesellschaften.
Am Abend schrieben Brinkhaus und Dobrindt an die Parlamentarier: «Alle CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten haben diese Erklärung unterschrieben und damit klargestellt, dass sie in der Corona-Pandemie mit aller Kraft dafür gearbeitet haben, die Krise zu bewältigen, Bürgern zu helfen und Unternehmen zu unterstützen, ohne einen persönlichen Vorteil daraus zu ziehen.»
Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD legten am Freitag getrennt voneinander einen Plan beziehungsweise Gesetzentwurf mit einer deutlichen Verschärfung der Regeln für Abgeordnete, Nebenverdienste und Lobbytätigkeit vor. Vertreter beider Fraktionen berieten dann über ein mögliches gemeinsames Vorgehen. Die Gespräche wurden ohne Ergebnis auf kommende Woche vertagt. Der SPD-Abgeordnete Dirk Wiese kritisierte, die Union lehne die wichtigsten Forderungen der SPD ab – etwa die Veröffentlichung aller Nebeneinkünfte von Abgeordneten.
Bei den Lobbyismus- und Korruptionsvorwürfen gegen einzelne Unionsabgeordnete geht es neben Geschäften mit Corona-Schutzmasken auch um den Verdacht der Einflussnahme gegen Bezahlung zugunsten des autoritär regierten Landes Aserbaidschan. So ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den CDU-Bundestagsabgeordneten Axel Fischer wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit. Der CDU-Abgeordnete Mark Hauptmann legte nach Lobbyismus-Vorwürfen sein Mandat nieder, wies diese Vorwürfe allerdings zurück.
Der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU) verwahrte sich am Freitag gegen den Vorwurf, er habe im Zusammenhang mit Lieferungen von Beatmungsgeräten an Aserbaidschan Druck auf ein deutsches Unternehmen ausgeübt. «Das war eine humanitäre Hilfestellung», sagte der CDU-Abgeordnete der dpa in Stuttgart. Bareiß hatte im vergangenen Jahr für die Regierung Aserbaidschans bei einem deutschen Hersteller von Medizintechnik nach dem Stand einer Lieferung von Beatmungsgeräten an die Kaukasusrepublik gefragt.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stärkte der Spitze der Unionsfraktion in der Affäre den Rücken. Sie stehe ganz hinter der Haltung der Fraktionsführung, «Sachverhalte aufzuklären und wo nötig auch entschieden Konsequenzen zu ziehen», sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Auf die Frage, ob die Vorgänge das Ansehen und die Handlungsmöglichkeit der Regierung beschädigten, ergänzte er: «Die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung ist davon nicht betroffen.»
Scharfe Kritik kam erneut von der Opposition. So erklärte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte: «Dass die Unionsfraktion ihren Maskenskandal aufklärt, ist gut, reicht aber nicht aus. Die bezahlte Lobbytätigkeit von Abgeordneten muss jetzt gesetzlich verboten werden.» Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Bernd Baumann, sagte: «Angesichts immer neuer Verdachtsfälle innerhalb der Unionsfraktion im Zusammenhang mit dem Maskenskandal und der Aserbaidschan-Connection verfestigt sich bei den Bürgern der Eindruck, Abgeordnete seien käuflich.» Die Schritte der Unionsfraktion zur Aufklärung seien völlig unzureichend.
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